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Zurückgelassene Tagebuchnotizen

Hörtext-Vorlage
bearbeitet für hoertext.de nach einer Romanvorlage "Von der Liebe Abschied"

Dem Drängen meines Freundes folge ich nun, mich anzuschließen dem mühsamen Schaffen seiner bäuerlichen Wirtschaft. Einzug in ein Gehöft, verlassen will es scheinen von der Welten Glanz. Die Äcker erstrecken sich weit mit vielen kleinen Weihern und versprengten Wäldchen, und beinahe wahllos auserkoren, in einem Grund versammeln sich die Häuser des Vorwerks, unter gewaltigen Eschen versteckt beherbergen sie ein Dutzend Männer, Frauen, Kinder.
Was ich zurück ließ, ist wenig, so dass ich sage: nichts, denn zurückgelassen ist es schon ohne Bedeutung. Was mich befreit hierher ist aber nicht der offene Blick, der unbeirrte Einfall der Morgensonne, es ist mein Entrinnen der klammernden Enge des feigen Getümmels der Unruhigen.
Froh, mich endlich zu entreißen von der Zumutung, die Armseligkeit der nachbarlichen Schicksale ertragen zu sehen, von denen die Stadt mit ihren Wichten so unzählige auf mich abzuladen versuchte; hinein in die wenigen Menschen dieses Ortes, deren eigene Kraft sie offenbar erhob aus der heimtückischen Geborgenheit des gegenseitigen Mitleides irgend einer Amtsgemeinschaft.

Kinder hier auf dem Hof sind Sammelpunkt mir, sorgenlos bieten sie Entspannung dem Sorgenvollen, wenn sie ohne die Ahnung einer Eitelkeit in ihrem Reich, dass sie Zuhause nennen, dem einzig Wichtigen in ihrem Leben, dem Spiel, sich ergeben.
Es liegt Schnee, und er macht das Licht friedlich und die Luft leise.
Hier ist eine große, bäuerliche Küche, allemal ein Raum, der Begegnungen gute Gelegenheiten bietet. Da es draußen friert, finden sich gegen Abend alle Wohner der Wirtschaft ein und essen gemeinsam, schwatzen und lachen auch. Selbst mich zieht es fast täglich her, und es bekommt mir gut.

Sie tritt in das große Zimmer, und es breitet sich ein leises Hellerwerden aus. Ich ahnte es schon am ersten Tage und erwartete ihr Eintreten heute gezielt. Doch ich sah nur sie, ohne Licht und ohne Zauber. Aber etwas Leuchtendes will ich mir dennoch ausmalen.

An den ersten sonnigen Märztagen sind die Kinder nicht mehr zu bändigen, springen zu allen Enden, wohin nur Sonnenstrahlen gelangen können, entfalten immer neue Variationen der einfachsten Spiele. Alles geht ihnen ohne die geringste Ermahnung so von den Händen, dass ihre Freude sich am einfachsten Ding entfacht. Was in den kälteren Tagen schnell einen Streit auslösen konnte, befriedet sich bereits im Anlass.
Seit einigen Tagen treffen mich ihre Blicke, die mich scheu erst drängten. Warum erfreut mich schon ein Lächeln, das mich doch nicht meint?
Was ich als Fron anstrebe, ist, welch einfältiger Wunsch, einer Herrin Bewunderung zu erlangen. Nichts aber erwählt das Weib, auf dass sie selbst Bewunderung erführe?

Des Frühlings Farben lassen noch auf sich warten, lange schon, und dieses Kleinod von Anwesen wartet auf mich, lange schon; verschoben immer wieder meine Entscheidung - nun vollbracht: wir sind umgeben von Fruchtbarkeit, angekommen, um alt zu werden, vielleicht, wie lang wird es dauern? Ruhig soll es mich empfangen. Eingelullt kommt ein Gefasel von freiem Leben in meinen Sinn. Doch der Traum um Freiheit verrät den Knecht.
Dann wieder sie. Ihr Haar trägt sie frei, wie ein Kind den Schmuck des Schopfes annimmt, weil er ist, nicht um der Eitelkeit ein Zierrad zu sein.
Wer könnte fähig sein, lustvoll zu erfüllen?

Gestern lud der Freund mich ein zu einem Ausritt über die Felder. Ich nahm eine braune Stute, er den Hengst. Ein dritter, in den letzten Tagen sah ich ihn immerfort mit schweren Werkzeugen unterm Ackerschlepper, gesellte sich noch hinzu, und so versprach es, ein kraftvoller Tag zu werden. Wir ritten über die offenen Flächen zum Wald hin und weiter über die weiten, noch winterlich aussehenden Äcker. Die Tiere witterten schon den nahenden Frühling und stürmten, endlich die Enge der Stallung verlassen zu können, davon. Unser Galopp wurde immer wilder. Nach Stunden kehrten wir zurück, entkräftet aber leicht. Nachdem die Tiere versorgt wieder im Stall sich beruhigten, schlugen wir hungrig uns in die Küche und verschlangen, was uns in die Hände fiel.
In solcher Kraft ist schnell man sich nah; "Freunde" möchte ich rufen, unterdrücke es aber. Die Ruhe kehrte zurück und bald gingen wir. Ich fiel in einen tiefen Schlaf, der schon lange nicht mehr so ununterbrochen mir war.
Am Morgen war ich noch von Dank ergriffen für den gestrigen Tag, begann mich öffnen zu wollen, den Gedanken Worte zu geben, fühlte am Tag zuvor so stark mich verstanden. Schnell schrak ich zurück und erging mich notgedrungen wieder ins stille Sinnen.
Bin unter Gleichen; doch, fand ich hier wirklich Gefährten? Der Abend war lang, und reichlich Worte kreisten, wir sprachen deutsch und sprachen doch ohne Verständigung. Einfalt vermag entwaffnen; das ist ein Leid des Zwiegespräches von Ungleichen.
Warum in den Sturm rufen? Klagende Winde hören unsere Meinungen, doch wollen sie sich nicht darum kümmern. Ich suche die Suchenden.

Die einfachen Mittel, entwöhnt war ich jenem ursprünglichen Plan des Menschen Tuns, das Heizen, das Essen, den gesamten Tag zu organisieren, mönchisch gleich und eher noch an eine Räuberhöhle erinnernd. Die Romantik dessen kann ich schwer bestreiten. Des Lebens Mühsal zu ertragen und darin zu schaffen, bedeutet es mir, die eigene Kraft zu spüren und die eigenen Grenzen auch.
Doch welche Freude bringt der Tag, wenn aus der Beschwerlichkeit ich dann ihr begegne.
Das Weib sucht nicht den Mann, das Weib veranlasst, gesucht zu werden, denn ach, so ahnungslos sind meine Taten und scheitern schnell an ihrer eignen Geilheit. Sie entschwindet, und ich ertappe mich zu eilen, ihr zu folgen. Anmut zieht mich, die Schönheit ist immer wieder ihr selbst vorbehalten; ich mühe mich, sie facht mein Mühen an: beides hat seine Anstrengung.

Das tiefe Verlangen, die Unerfüllbarkeit, der bodenlose Brunnen, wenn im Traum sie erschien, so war es, was es war, dass all mein Tun des lieben langen Tages nur Zeitvertreib bedeutete, bis zur Nacht mich der Traum wieder empfing, doch wahrhaft allzu selten noch. Ohne Zeugen ist der Traum, doch ist er nicht ohne Flamme.
Es geschah nun die Wirklichkeit.
Greifbar die Nähe. Der Wahn zerstört meine Sinne. Ich laufe davon, der Traum darf nicht in Existenzen sich auflösen, nicht in Fassbarkeiten sich verlieren.
Ich sehe sie und bin ohne Disziplin, doch ach, wenn schöne Frauen freundlich sind, dann heißt es nein.
Das geduldige Gras, wenn es blüht, erwartet es den Schnitter, der es mäht; du saftiges Grün, dass du anlockst den, der zu frischem Heu deiner nötigt. Bist mir ein Gleichnis.

Sie kam zu mir, und ich bin verwirrt. Die Nacht hatte bereits geendigt, da ging sie wieder, wie sie kam, und ich bin verwirrt.

Kommst du zu mir, komm ich zu dir, wird reicher an Erfahrung das Sein. Doch Freudlosigkeit bricht an, und das Lachen wird fliehen, und Menschen entfernen sich, und ich entferne mich von dir. Von zwei schönen Menschen wird der schönere der beiden vom anderen bedient.

Neigende Worte bilden sich mir; die Nacht verbrachte ich damit, aufs neue immer Neue zu ersinnen, die ich ihr geben möchte, und weiß schon um mein Zagen, Versprechungen zu übergeben.

Die Morgensonne von heut erscheint uns kein zweites Mal; ob wir verschlafen sie haben oder ihr unseren Gruß boten. Den Weg des Feuerballs, den der Zögerliche in seiner warmen Decke zu versäumen droht, holt er nimmer mehr ein. In mir ist jener Drang nach einem Märchen, den befriedigen aber kann nur die Hingabe - Einzige, die Bedürfnisse der Seele zu stillen vermag. Wann wird der Durst nach der Romanze gesättigt? Kommt dann für mich dieser Schmerz, ein jeher Abbruch, so bleibt für das Spätere noch der Realismus.

Die Narzissen öffnen lockend ihre blassen Münder und wir Männer allesamt stieren nach den Röcken, die kürzer werden Tag für Tag, mit jeder Blüte, die aus ihrer Knospe erstrahlt.
Sie ging mit mir vier wundervolle Stunden über den alten Bahndamm ins nächste Dorf und zurück. Seit Jahren von der menschlichen Nutzbringung befreit, holen sich Baum und Strauch ihn zurück, und wir erfreuten uns, dass wir kaum Durchgang fanden im Gestrüpp, noch im kargen, blattlosen Kleid. Uns fror und ich ergriff ihre Hände unter dem Vorwand, sie wärmen zu wollen, was uns in eine endlose Verharrung brachte, in der wir, die Augen verschlossen, nur unserem Atmen lauschten. Beim Weitergehen hüllte ich sie in meine Jacke, die ich hastig ausgezogen hatte, so dass ich schon nach wenigen Schritten begann, meine Wärme zu verlieren. Doch meine Freude zwang mich, das ertragen zu wollen. Die Wiese lauschte, die wir betraten.

Die erwachenden Wochen der Natur sind auch die unsrigen. Wir können die Tageswerke kaum abwarten, um in den Nächten ineinander zu sinken.

Bevor die Liebe geschaffen wurde, war der Sucher geboren, väterliche Erblast. Dem Wasser erhob sich der Sucher; von den schneebedeckten Gipfeln stieg er herab, kam in die Ebene, die eine Fruchtbarkeit ihm offenbarte, bettete wollüstig ein Lager als der Tag beginnen wollte und ein Rot den Horizont färbte. Der Sucher zeugte mit der Morgensonne die Liebe.
Meine Sucht auf ihre Erscheinung, das Sehnen nach ihrer Nähe, ein scheuer Blick ist mir Berührung. Der Mensch ist das begierigste Geschöpf. Ihn dürstet nach jedem Wasser, nach jedem Quell.
Und jeden Morgen kommt er als Nichts zur Welt, und jeden Abend verlangt er, sie zu verschlingen.
Die Gier ist erstes Gefühl, später erst der Zorn, die Zuneigung, die Lust.
Komm zu mir, Sehnsucht! Komm zu mir, erloschenes Licht! Wo ist die Glut? die verzehrende Flamme?
Ein blindes Verlangen mich winselnd hetzt, gleich dem Rüden, der hinter der läufigen Wölfin giert, die fehlende Genugtuung meiner Wollust. Schneller vergehen die Stunden. Beschleunigung droht mich zu zerreißen. Doch wie der geile Gelockte rennt und rennt, um der Zeit ihren Lauf nicht zu gestatten, wedelt die Wölfin, dass der Verfolger die Fährte nicht verliere, der Knechtschaft des wölfischen Triebes frohlockend.

Der Tanz in den Mai am Abend war mir ein Rausch; verflogen mir die Stunden im Springen, Drehen und Umfassen.
Die Geführte unterwirft sich dem Schritt dessen, der immer wieder etwas anbieten muss. Die Spiegelei für die eine, die Forderung der Tat für den anderen. Gehalten werden, wie es den Führer zwingt zu planen. Hier genießen, dort erfreuen.

Wir erahnten schon den neuen Tag, als ich sie auf ihr Zimmer brachte, und wieder erfüllt nun großes Drängen mein Herz: Wärme und Freude zu verschenken und willig zu erfüllen. Ich will über diese Stunden nichts niederschreiben, sie verlören ihre zarte Schönheit.

Kaum war das Rot über dem Feldrain erschienen, stand ich wieder auf und ging ins Offene, dem Frühling meinen Dank zu sagen und die Geliebte mit den frohen Blühern, die ich finden wollte auf der Wiese, zu erfreuen.
Birkenzweige zierten an allen Staketen mir Vorübergehendem den Schritt zu meinem Suchen.
Ich lief und lief und vergaß abermals wie schon die Nacht zuvor der Stunden wenige Zahl, bis die Abendröte mir wieder grollte.

Das Gefühl neigt sich zur Wiederholung. In der Früh erwache ich mit einer Gedankenfülle, die in gleicher Weise mir bekannt, ja in gleicher Weise schon einmal gelebt ich glaube. Schwüre sind es, die mich bewegen, werde ich sie an die Frau richten, der sie gelten, und ginge zu ihr, und legte vorher mir zurecht:
Zeit ist immer jetzt, was folgen wird, jenseits von uns.
Ich werde dich suchen und weiß doch, dass ich dich in Ewigkeit nur suchen kann.
Schmerzen werden sein, doch Wollust auch.
Wann, sag, sollten wir Ruhe finden, zu genießen?
Uns erfahren, bliebe uns: Öffnen und Durchdringen unser Sinnen und Verlangen.
So übte ich dumm meine Worte, die natürlich fern mir blieben, als ich in ihr Zimmer trat und ihrem klaren "Komm" nicht ausweichen konnte.
Wenn all die Schwüre auch nur einen Herzschlag währen, der Wehrlosigkeit der Hingabe sei gewiss dir jetzt. Doch ach, verzeih es mir, verschwieg ich dir das Wichtige in meinem Reden und werde es dir stets verschweigen, dies: Je größer die Worte, je kleiner die Erfüllung.

Wir sitzen an der noch nicht belaubten, aber schon entknospten Esche, gleich zweier Nornen an den mächtigen Stamm gelehnt, über uns das Dach aus starken Ästen, vor uns ein weites Roggenfeld. Der schwere Baum hält unsere Rücken, dass wir geschützt über schöne Dinge reden können.
Das schwere Gelb der Rapsflächen und der honigschwangere Geruch ergeht sich satt über die Ebene. Die vollen Rispen und leibigen Gedüfte frohlocken die Begierde, kein Auge vermag ich zu schließen, ohne nicht in wollüstige Träume zu fallen.
Der Abschied unserer Berührung zerrinnt wie Sand. Der Abend bringt Kühle, des Tages wirre Geräusche weichen, allein der Wind wird zaghaft nur müde. Der schöne Kirschbaum warnt auf seiner entdeckten Scham selbst noch im Mondlicht in voller Pracht.

Späte Nachfröste brache der Mai, und uns überkam die Erinnerung an eine kältere Zeit, doch währte sie nur ein, zwei Tage, nun föhnt es in immer verlockenderer Wärme. Die Apfelbäume öffnen ihre Blüten und öffnen auch unsere Augen und das Herz, und alle Frauen werden plötzlich schön. Jede Nichtigkeit der täglichen Arbeit findet eine Verlegenheit in ihre Nähe zu gelangen.
Ihr Lachen ist es, ihre frohe Gabe. Und so kommt der Frühling zweifach mir.
Was vertraulich schmeichelt, was sich sonnt in Zuversicht, weilt allzu kurz uns immer. Drum will ich kosten ohne Zagen die süße Nähe der Freundin.

Was für ein unvergleichlicher Duft vom frischen Flieder. Seine Süße macht benommen, und alle Werbungen werden einfach, fast schon zu einfach.
Einige Kilometer entfernt wohnt eine Familie, lud uns zu einem kleinen Fest; ein Feuer war errichtet, der Abend lau und nach ruhigen, doch geschwätzigen Stunden begannen die Gastgeber begleitet von ihren Instrumenten, Lieder anzustimmen. Sie war dicht bei mir, und so gaben wir uns geöffnet den Gesängen hin, nahmen deren Poesie in uns auf, die uns das Herz schwer machte. Wie angenehm spürten wir die Wärme in uns fließen, unser Gemüt zu wiegen wie Kinder, ungeschehne Träume kamen, stumme Gedanken.
Erging mich in ihre Nähe und den warmen Klängen; erfasst vom Trugbild der Musik bleibt bei nächtlichen Gesängen kein Auge trocken, schwarze Schönheit ist unsichtbare Erscheinung nur, die ein Drama eröffnet.
Viele Worte hat unsere Sprache, doch sind sie dem Schwärmer immer zu wenige; die Musik hat wenige nur, doch sind es ihr viele genug, dass sie singen kann, tiefer als wir erahnen; beim Hörer auslöst, mehr als der Interpret erwarten darf.

Der Augenblick des Ahnens: Ein nahender Morgen hat noch keine Farben, noch kein Rot der aufgehenden Sonne, noch kein Blau des erhellenden Himmels; einzig zeigt die Dämmerung uns einen Hauch von Licht und die Gewalt von Schwarz, von der sich das wenige Erkennbare abhebt. Die schüchterne Ahnung der Helligkeit gegen das Dunkel der soeben verstrichenen Stunde. Wie kurz auch dieser Zustand nur wahrgenommen wird, eilt er geschwind in die Geschäftigkeit der Unterscheidungen. Schnell dann kommen die erschöpfenden Farben, und auch bald kommt die erschlagende Pracht. In diesem Moment aber von Dunkel auf Hell fließe ich im Anblick, trinkend, bis mich blaue und rote Konturen ablenken wollen.
Des Morgens Schönheit ist schon mit diesem Ahnen in schwarz-weiß, wenn ihre Glieder sichtbar werden im schwachen Schein, der durch die Fenster dringt. Die Silhouette ihrer Schultern, die sich regungslos in ihren Hals ergießen, hebt sich endlich für mein Auge ab vom Kissen: Tänzerin meiner Träume.
Schlich sich ein leiser, unhörbarer Zweifel die Stufen hinauf an das Zimmer, unterließ das Pochen an der Tür, stahl sich hauchend hinein in das zarte Tagen unserer Zweisamkeit: "Seht, jetzt werde ich mit meinem Groll beginnen", doch da begann durch das offene Fenster die frohe Stimme eines Sängers zu erschallen, das kleine Vöglein, und verkündete mit einer solchen Kraft das Erwachen, erhob mit seiner lockenden Stimme solche Wärme, dass alles sanft wurde, die grimmen Gedanken durch das Fensterloch entweichen mussten.

Der Nachmittag war von größter Helligkeit, die Sonne schien keinen Gedanken ans Sinken zu verschwenden, und so gingen wir weit, bis wir sehr spät erst den heranbrechenden Abend bemerkten. Voll Erwartung und Verheißung sprach sie von Zweisamkeit. Doch wer kann Zweisamkeit sich widmen, der nicht einsam ist?
In Stille verharren, bis die Sonne sich entschließt, ihr Haupt zu neigen, in die hellen Nächte hinein. Welche schöne Weile braucht das Licht dazu, erlöschend, der Nacht die wenigen Stunden zu gestatten, das Dämmerlicht ist grau. Schönheit verrät besser, wenn sie nicht blendet. Immer später werden unsere Abende, verlagert sich die Anmut des Tages hin zur Nacht, und tiefer werden unsere Fragen, und schwächer wird die Dunkelheit noch bis zur Sommersonnenwende. Die Kastanien sind verblüht, der Aufbruch des Jahres ist Vergangenheit schon. Vorbei die Zeit des Beginnens, der Beschleunigung.
Gilt der Mann dem Weib, gilt das Weib dem Mann? Umringt uns Finsternis, sind fremde Worte süß uns oder bitter? Die erste Forderung, die ihre Zuneigung sogleich auch wieder nichtet: "Ich soll für dich die Königin sein, die du auf Händen trägst; doch dass du es mir nicht erfüllst!"
Ihre Geschwätzigkeit genieße ich, da sie mit Witz und Wärme und auf mich gerichtet, auch wenn es den Abendstern, der gerade sichtbar wird in der offenen Sichel des Mondes, nicht kümmert, dass sie über sein Licht und ich über seine Bahn hitzig werden im Reden und wir uns näherkommen.
Sind wir von ihren bunten Blumen des Nachmittags, auf einem umgestürzten Baum bald sitzend, bald liegend in der Dämmerung zu den fernen Sonnen gelangt. Wie es mich erfreut, dass sie sich meinen Märchen über die Unendlichkeiten hingibt, denn in solchen Nächten hat die sachlichste Rede dennoch Zauber und Charme. Fragt, ob das Universum ein Unterbewusstsein hätte! Aber wie nicht? Könnte das Allumfassende etwas nicht haben?

Gnade dem, der entrissen wird aufs neu durch eine Anmut, die da leuchtet und kommt aus dem Nebel, der man verloren sich zu unterwerfen bereit ist.
Der Genuss ist nur die stille Ahnung der Glückseeligkeit; glücklich können wir nicht werden, wenn uns der Genuss noch freuen möchte.
Genießen magst du können, also sei die Ahnung dein.

Wilder Mohn blühte im Getreide, ich stieg hinein in ihn, um ihn zu stehlen und zu binden in einem Strauß, und nach Stunden berauschten Schrittes ging ich zurück, doch ach, der abgerissene Mohn verlor seine Pracht, war nicht in die friedliche Vase auf dem Küchentisch zu zwingen und warf ab seine Blütenblätter, rot fielen sie auf meinen Weg. Zurück ließen sie einen Strauß armseliger Stängel. Die Blüten, die leuchtenden, die roten, die wilden, die schönen sind verloren. Dieser wilde Mohn ist Zeichen mir für die Liebe, die wilde, die nicht zu bändigende. Kurz nur ist die Freude, wenn sie gehütet sein will. Welche Pracht stellt das Meer an Mohn im Weizen uns, wenn er wetteifert, zur Sonne sich zu strecken, in mächtigen Farben den Sommer zu feiern. Er bleibt in seinem Frieden wild.
Das gerupfte Grün warf ich wie einen toten Bruder in einen Weiher und streifte den Tag vorbei an Feldern, Landstrassen und über Dorfanger, die sich zur Johannesnacht schon geschmückt hatten.

Stunde des Abends nach vollbrachtem Tag. Es könnte kein anderer Wunsch mir sein, als ein wenig das Bleiben genießen, Ebenbild, es will vorübergehen. War es eben eine fremde Blume? Kaum sah ich jene Schöne, noch vor Augenblicken unbekannte, schon ist es wieder eine Fee, und ich muss wie ein Ungestümer hinterher, vergessen alles, was ich wichtig messe: Blindheit leitet meine Schritte. Entfliehen sich selbst, verlieren des Hoffens in Hoffnungsträumen.
Wird mir ein Hagel niederfallen von Reizen und von Ahnungen der Lust, so bliebe weniges nur möglich. Und Lust ist nicht Liebe, denn Lust ist nur ein Schimmer, der vorüber schon, wenn er geblendet.
Ertappe ich mich, sie zu meiden. Was soll es mir wieder deuten, und Vergleiche drängen sich auf, ist das Leben mir doch nicht fremd.
Lehn ich ab, dass es eine Wahrheit gibt über einem selbst, so ist es ein ewiges Suchen und ist es auch ein Fliehen. Auch wenn ich es fürchte und ist es mir Feind, so brauche ich es doch, denn ohne Feinde gespenstert ein Alptraum durch die wachen Tage, mit Anstrengung die Augen zu verschließen, dann nicht träumen zu können, dass die Gedanken einem das Träumen stehlen.

Die letzten Tage waren erfüllt vom sommerlichen Rausch. Farben durchdrangen alle Felder, froh zogen sich die Wegreihen durch die üppige Landschaft. Schon in aller Früh, Mitternacht war noch nicht lang vorüber, der Himmel begann bereits zu erglimmen, strich ich durch den Tau, der auf dem sich emporstreckenden Getreide lag, begann ich all das Blau und Weiß und Gelb zu pflücken, ordnete es zu einem Feldblumenstrauß, bis die Sonne mit gewaltiger Kraft allen Tau auflöste und der Tag sein lautes Streben begann. Den Strauß gab ich ihr und sprach kein einziges Wort. Sie aber hörte geblendet mir zu und blendete also mich.
Wir verschlossen uns in ihr Zimmer und wollten es nicht mehr verlassen, bedeckten uns mit Küssen, wo Schmiegsamkeit sich unverschämte Wünsche malte. So nahm ich nie Vermischung je zuvor in meiner Seele auf, in dieser Wärme, auch wenn so schnell die Zeit vergeht, wo dein Gefallen von dieser Schlichtheit erfüllt ist, noch kein bedrohliches Jetzt den Raum verhängt, kein lauter Befehl erzwingt, der die Freiwilligkeit erniedrigt; fürchten wir den Tag, an dem dein Körper Herrscher wird und ich der Knecht. Wie ich doch froh darüber bin, dass wir noch Zeit haben bis dahin; ergeben vor dir knie und jeder Kuss soll dich erreichen, bis zum Höhepunkt fortführen, Welle um Welle; Armut des Gebotes, williges Bedienen ohne Stock und Order, ohne Sperrgebiet. Doch nicht ohne Furcht vor dem anderen Morgen.

Sie schlenderte mit mir durch das kleine Wäldchen zur Koppel, nur weil der Tag so schön war und sie mir so nah. Unsere Schuhe stellten wir mitten in die Wiese, aus unseren Kleidern rollten wir ein Kissen, auf dem kauerten wir uns eng zusammen, blickten einfach in die Weite und waren uns genug. Wie die Sonne auf unseren nackten Körpern spielte.
Denken doch um eine Zeit, die Wiege stellt der treue Vater an das Wochenbett. Kinderglück schmiedet schnell zusammen, gleich wessen Unfriede sich bald einstellt. In der Erinnerung behält man stets das Schöne, doch quält dann schnell auch das Geschrei. Das Gute bleibt von alten Zeiten, so war es immer schon. Lange will ich in die Ferne blicken.
Wir sprachen über Genuss; welchen aber vermag man genießen. Für welchen Genuss könne ich alles liegen lassen? Aber was? was denn sollte ich liegen lassen, was gäbe es zu lassen?
Nur für einen Todgeweihten ist die Liebe unendlich in Größe und Erfüllung und unvergänglich, noch bis des Todes Eile sich drängt. Für den aber, der weit noch keinen Abschied sehen möchte, ist der Liebe Endlichkeit in Zweifeln verborgen.

Der Vermischung eigentlicher Sinn, eines Kindes Zeugung, muss mir, froh bin ich darüber, immer im klaren bleiben, selbst wenn man es nicht erwünscht. Nur darüber ist die Begegnung von Wahrhaftigkeit erfüllt. Denn wie könnte sich jemals Tiefe einer Beziehung eröffnen, die bereits im Beginnen um eine Kinderlosigkeit wüsste, verfluchte sich selbst. Wir lagen beieinander und sprachen darüber. Erklärt das Weib die Unterwerfung der Empfangenden während der Zeugung, ich die Impotenz des, der glaubte gezeugt zu haben, aber unfähig für immer sei, Leben selber gebären zu können. Beide erschraken wir über unsere Armut. Und in die Ewigkeit entsponn sich das Thema bis ich durch ihre Fragen erst begreifen sollte, welche dunklen Ansätze dem Manne eigen sind.

Die Gefühle schlendern wie im Pendel, hin zu ihr und wieder fort; dem Tag der frohen Neigung folgt ein Tag der Flucht. Begegnungen leben nur winzige Momente, doch sie gemahnen, nicht ihres Ergreifens versäumen. Der gleißende Tag verdrängt den zarten Dämmerschein und verbannt das matte Gold der morgendlichen Stunde, Nichts kann es umwenden: Nichts.
Nimm der Gelegenheiten Anfang, dass der Tag Dein werde.
Wir taten es nicht.
So ist also kein Tag unser eigen.
Wenn du der Taube, die du schon hieltest in deiner Hand, doch die Freiheit wiedergibst, kommt sie nimmer mehr zurück. Wir wollen sie fliegen lassen und uns erinnern, dass wir's klüger in neuen Zeiten anfangen wollen, denn: Was als Gelegenheit uns entglitt, bleibt verloren.

Im Roggen liegen, seinem Flüstern lauschen. Die wehende Fläche ergab sich unseren Körpern, die wir gern mit Kraft hätten niedergerungen, doch die langen Halme beugten sich schon, bevor wir ihnen nahe kamen. Auf der trockenen Ackererde inmitten lagen wir, in den Himmel blinzelnd, hoch über uns eine Lärche sich mühend. Die Ähren wiegten in der heißen Luft sich wie Wellen, reifen friedlich noch, doch bald naht ihr Schnitt, der das volle Getreide übergibt einer erbarmungslosen Dreschtrommel, mit roher Gewalt das Korn zu gewinnen, dass die Erntewagen im Staub verschwinden, so als rauche der Sommer.
Noch aber steht die Ackerfrucht vergessend und nichts ahnend um uns wie ein Meer. Was wir zu sagen haben im warmen Sommerwind, flüstern wir und verstecken es in des Roggens Getuschel. Währenddessen strich mein Mund aufwärts ihren Arm. Mit meinen Händen griff ich in ihr langes Haar hinein, hüllte es in mein Gesicht, biss in eine Strähne, als wollte ich sie verschlingen. Nach Versöhnung schmeckte dieser Tag. Scheinbar sind unsere Begegnungen, leise Gespräche, Nähe, wieder Sprache, wieder Nähe, unsere Träume und Gedanken.
Vom nahenden Abschied hörten wir nichts, er schlendert in unendlicher Ferne noch, feige mischte da der Zweifel sich hinein: warum dieses Glück, Vertrauen ist so spröde, geht unter mit dem Rot, Freude ist des Betruges Schein und darf nicht wahrhaft sein. Ich glaube nicht an diese Wirklichkeit; ich glaube nicht, was ich erlebe, nur meiner Ahnung kann ich einiges Vertrauen zugestehen, das Glück ist zweifelbar.

Lange redete sie auf mich mit wenigen Worten, doch gewaltig ein: "Ich vermag es nicht ertragen, das was ich dich lehrte, Künste will ich's nennen, sie galten uns allein, als Fähigkeit dein eigen jetzt könntest anderen sie zeigen." So flehe doch die Sonne an, sie möge nicht erscheinen, so währt ein wenig länger unsere Zweisamkeit allein. Ohne Eifersucht ist kein Versprechen. Doch dieses ist Besitzanspruch!
Lässt du der Lust die Freiheit, giert sie bald nach Blut.
Es bricht das Glas im Zorn, der unbeherrscht über uns kommt, zwingt, uns schützen zu müssen, und schützen wir uns, um nicht der Liebe Blut zu opfern.
Liebe ich? Werde ich geliebt? Meinen wir doch aber nur die Projektion des Geliebten in unser Bewusstsein, bete ich ihr Bild in mir an: Liebreize pflegen wir zu Morphismen. Und also gibt es reale wie auch virtuelle Gefühle, denn meinte ich dich selbst, wie wäre ein Virtuelles möglich. Ohne Abbild, im direkten Zugang ist einzig jene Begierde, die nicht Lust ist. Lust bezieht sich auf Eigenes, Begierde auf Fremdes.
Welche Kunst: Loslassen. Wir können nichts erreichen und noch weniger vom Erreichten lassen; wehe dem, der, uns allen gleich, es nicht vermag.

Ein Frost durchschüttelte mich letzte Nacht, sie sah es, und Angst wurde ihr darum. Nicht an sich lassen bat sie und rief nein, nichts sehen und nichts geschehen. Später beruhigte die warme Nacht mein Gemüt, so dass ich ungeschlafen zwar doch den Tag beginnen mochte. Wie konnte sie sich in ihr anonymes Kleid verhüllen, als sei ein Nahes durch einen Wunsch entfernt im Augenblick. Der Frost schärfte grausam mein Sehen und ihre Entfernung.
Ich sehe wie durch ein Okular und bin noch Unbeteiligter, doch ahne ich bereits, wird's eines Tages mich grämen, in einen gefühllosen Zorn sich Platz zu schaffen suchen - noch ist es Zeit, die ich für diese Schwerelosigkeit genießen möchte. Verdrängen das Bald.

Im frühen Schimmer, rot erglühte das reife Getreide zum Horizont hin unter den ersten mächtigen Fieberfarben, erschraken wir, als unsere Träume wir gegenseitig errieten, denn eine plötzlich furchtsame Gabe des Sehens war über uns gekommen, die Geheimnisse des anderen gewaltfroh ins Freie zu peitschen. Hüten hätten wir uns sollen, vor diesem Geschenk, und sei es uns nur diese wenigen Augenblicke vergönnt, so droht Unheilvolles im Erkennen, was geheim sich verbarg, hat seine Gründe des Verbergens. Zwei sich Umschlingende erfuhren ihr Sehnen ins Fremde. Erfuhren wir die Sehnsucht aller Leidenschaften, die dir und mir unerlaubt sind, zu gestehen, in Finsternis der Träger selbst liegt und jetzt sogar der Geliebten ich mich entkleidet sehe. Sündig sind die Verstecker der Verstecke.
Strafend erhob sich die Sonne, uns ins Antlitz zu strahlen.
Von unserer Benommenheit nur allmählich wieder in den realen Tag zurückgeratend, beklomm sich mein Sinnen, und so war es auch für sie, die schneller gewann, die Kleider ihres Geistes anzulegen und bald begann, Entblößtes wieder dienstbar zu gestalten. Mir war es lange noch nackt, gekrümmt in die Decke verkrochen, verschmolzen Erinnerungen mit eben Gesehenem, mit Erkanntem, was ich sah von ihr und vielmehr noch was sie sah von mir.
Als das Rot dem Gold gewichen und das ausgebildete Rund sich anmachte zur sommerlichen Höhe, wurde uns nicht wärmer, nein, uns fror, denn die Erkenntnis war uns unerträglich, und es begann ein neues Drohen sich breit zu machen zwischen uns:
Ich lag noch ermattet vom baren Gefühl, da erblickte ich sie bereits angekleidet und in ihrer Pracht, wieder ermächtigt ihrem Glanz und wieder habhaft ihrer Kraft. Es folgte auf mich Ungeschützten, was sich schlimm erfühlte, da des Harnischs gegen die Verletzlichkeit ich noch bar ward: Ertrug ich es nicht: Vorwürfe der Schuld am Wunsche des unerfüllten Betruges, des sündhaften Vergehens, war bereits betrogen ohne ein Geschehen.
Des Vorwurfs schwere Last erdrückte jede Nähe, bewegte die Hebel der Furcht, trat als Schauer über rostige Geländer.
Endlich schritten wir bedroht auseinander, sie fort, zum alten Bahndamm hin, auch ich ging fort, in das kleine Wäldchen, wo erst nach vielen Stunden mich das Rauschen der Baumkronen beruhigen konnte.

Dieses Weib ist kaltes Wasser über mich. Als du dir selbst wichtig wurdest, erkanntest du, dass es dir in allem Tun nur um dich ging; das Außen wurde Gegenstand des Spiels und wechselbar. Da verlorst du die Liebe, als du dir selbst wichtig wurdest.
So gehst du also fort zu Dir.
Unsere Zeit ist noch uns, in kürze werde ich wieder, wieder meinen Koffer packen. Vollbringe ich es nicht, mich zu erzwingen oder mein Sehnen zu bedrängen, giert mein Eifer fremd, drückt mein Eifer ihre schmerzliche Sucht. Die schrecklichsten Worte sind jene unausgesprochen.

Unser Miteinander ist ein steter Wandel, die Zweisamkeit lebt nur in unserem Schwanken. Der Tag von großer Ferne strebt auseinander, was am Abend zuvor so ineinander lag; das Auf und Ab der Wellen, die glühende Umarmung, das Fliehen folgt sofort, Ungewissheit gesellt sich der Vermischung. Doch dieses Irren kommt aus meinem Wahn, ihr dräng ich es auf.
Hitze des Sommers, die Leidenschaft ermattet, in den Nächten aber fremd erglimmt, Sucht nach fremden Schönheiten, die prächtige Krone des Eschenbaumes verheißt uns Zuflucht vor zu großer Hitze, doch warum fürchten wir die Glut?
Wenn endlich die schweren Traktoren den Staub über die Wege und Felder wehen lassen und alles stumm wird, übermannt mich die Hitze. Ist es doch ein eigentliches Ziel niemals. Noch im alten Traum von neuem und immer neuem in den Bann gezogen werden. Die Blindheit, der man verfällt, für alles was das Herz ansonsten traurig stimmt, ist hungrig machend.
Kommt aus den Gründen über die Stoppelfelder eine Idisengestalt, von der augustenen Sonne geblendet. Es geschah, was geschehen sollte, doch gab es dafür keine Vorhersehbarkeit. Die menschliche Vorhersehbarkeit scheitert an den Modellen, und der Zufall ist ein Unfähigkeitsgeständnis.

Wieder in der Greifbarkeit zurück, bedroht mich sogleich das nahe Konfliktreiche. Wie die Dornen Sieger werden an der verwelkten Rose, so mahnt sie mit erschlagender Weisheit: "Komm nicht aus Mangel, komm aus Überfluss!" So gebietet dieses mir, wieder zu gehen. Denn warum heißt dies' gehen? Es war das Fordern, welches Pflicht austeilt. Was dem Mann die Peitsche, ist dem Weib die Erwartung. Was uns von der Liebe wieder scheiden lässt und umgekehrt in gleicher Weise: Befehle.

Fernes wird uns näher in den Gedanken. Geblendet vom Reiz, der unbekannt die Zuneigung bestimmt, ist die Leidenschaft blind für alles Graue. Und überall sind frohe Farben, wo stumpf sonst Nacht um Nacht verpflichtet. Erst die Wollust trügt das Bild: Fremde Schönheit. Öde vorher, später auch.
Genießen der Gier. Verlockung ist, wo sie hinzuthronen wir gewillt sind.
Seht, wie auf jeder Straße ein unbekanntes Erscheinen, weiblich, ewig, wie ein Traum.
Natürlich sehne ich mich, zu berühren. Es entspricht meiner Natur, dem Wesen der Natur überhaupt: Berühren; aber nähme ich mir diese Freiheit heraus, so stieße ich auf meine Unfreiheit. Es entspricht der Normalität des Willens, aber es zerstört das Bestehende. Dich zu berühren, zerstört meine Beziehung zu all jenen, die das gleiche wollen. Auch deren Wille birgt Zerstörung, wie der meinige, und dabei deute ich eigentlich jeden Rock. Die Jagd nach der Jagd, die Verführung des Verführens, welche Unrast drängt mich?
Nie genug, denn ich muss lernen, mich zu beherrschen, um nicht das, was mein Äußeres trägt, zu zerstören.

Herbstes Ahnung von ursachelosen Schmerzen, Eifersucht, Unterstellungen. Sobald sie sich entzieht mir, verweigert die Erwartung, steigt der Gefahren Ahnung über den ungeschützten Ebenen meiner Liebe, und wie zum Leugnen, ermanne ich mich, charmant und freizügig ihr schöne Stunden schenken zu wollen, die Hingebung ertüchtigt mein Tun. Wie anders doch, wenn Sicherheiten uns trügen wollen, so mühe ich mich. Warum kann uns der Altweibersommer nicht zusammenspinnen?

Die Wölfin fletscht ihren verderblichen Zahn und das Rudel gehorcht unterwürfig der Weisung.
Wie mir die Furcht, ist ihr der Wunsch zueigen.
Was ist dein Fordern, immerdar? was strebt nach dieser Gläubigerernennung, die den Schinder mich nennt auf deine Kosten. Oh, trage mir keine Pflichten auf, so wie auch ich nicht dort an die Verwurzelung appellieren will, die ein Gehorchen blendet. Aus der Umklammerung entfesselt, strebe ich dem Wunsch dir nach, nur Ruhe einzuklagen, nicht Ruhe vor dir, nein, meine eigene, und steht es dir frei, gleiches, was bindet dich? welche Pflicht will es hindern?
Dass du, so unbeherrscht, heißt mir, ich muss mich schützen.

Die Tür ist Sinnbild unseres Zerrisses, auch wenn sie verschlossen steht - heut war sie offen bleibt sie Trennung, gerade weil die Verbindung über diese möglich wäre, entblößt sie, dass etwas Verschiedenes mittels dieser zu verbinden sei, dass Fremdes sich durch Pforten erst als uneins zeigt.
Welche merkwürdige Empfindung verbindet den Kommenden mit einer Tür, die in seinen Blickwinkel fällt, egal ob er, der Kommende, sich in Bewegung fühlt: Die Tür scheint für den Herannahenden, obwohl fest stehend, zu erscheinen, und sie wird dadurch zum eigentlich Kommenden, so dass der Mensch in seinem Schritt doch nur des Wartens gezwungen wird.
Eine Verschlossene heißt vorbeizugehen dem Müden, heißt zu entriegeln dem Wachen.
Ihre aber stand geöffnet und versprach mit ihrem Zeigen ein Verlocken, die Straße in ihre Stube zu verlassen oder umgekehrt.
Wie immer zwang mich ihre Tür, die heute geöffnet forderte, sich diesem Schritt von meinem Wege in ihre Stube zu stellen, worum ich auch eigentlich diese Richtung eingeschlagen hatte, nun aber, der Aufdringlichkeit ärgernd, umzukehren hoffte, wissend, dass ich dieses bisher noch nie schaffte, also auch dieses Mal ihre Stube betrat.
Sie entgegnete mir, als ich eintrat: "Jetzt aber hast du sie offen zurückgelassen, weil
sie nun eine Ausgangstür wurde." Nein, offen ließ ich sie, so glaubte ich, weil sie offen war, doch zweifle ich nun mit Gewissheit, denn wollte ich bleiben, hätte ich mit Macht den Ausgang geschlossen.
Eifer, Abschied unserer Worte redeten über mein Gehen, bewiesen mir, dass ich gehen werde, sie wisse es, mein Gehen strafe mich als Schuldigen. Seit Tagen schon wird dieses Thema immer wieder in ihr Reden aufgenommen. Vom Abschied und vom Gehen: ich werde des Verlassens Weg erklimmen, dröhnt mir ihre Suggestion. Warum drängst du mich? Welche Chance habe ich, mich wider dein Wort zu lehnen, welche Hoffnungen gestattest du uns noch, wenn dieses bereits für dich einer Prophezeiung gleich? Wo lässt du helle Möglichkeiten, wenn schwarz die Vorbestimmung dieses wissen will? Doch weiß ich, muss es anders kommen, wenn diese Furcht dich so arg bestimmt. Den Abschied wirst du wählen.
Wir sind mit unseren Erdrückungen noch nicht auf dem Grund des Tales angelangt. Es geht noch dunkler in den Sumpf.
Wollen wir Schmerz verhindern, weil wir vorsichtig das Leben abwägen, ob wir es nicht wollen? Doch unser Leben ist unser Zustand, verhindert keinen Schmerz, der zum Leben mir gehört, auch wenn er nur durch Tot und Negation entbunden werden kann von uns. Es gibt die Entscheidung nicht zwischen Tun und Nichtstun.
Ich liebe, also will ich's dulden.
Beschuldigungen, das Verlassen sei auf meinem Tun, verdunkelt es die eigene Veranlassung; was beeilt es sich, sehen zu wollen, gehen oder fliehen, vielmehr ist es der Wink ihrer Gesten, die fordern und abstoßen mein Verweilen.

Litt ich keinen Mangel mehr, ich wäre nicht hier; die Einsiedelei wäre Heimat mir, und käme niemals mehr. Es ist nicht wahr, mir aber soll's nicht sein, die Wahrheit, meine eigene.
Entsteht doch das Zuchthaus erst aus dem Verbot. In jedem Wort höre ich den Schmied, der schwere Ketten an meine Füße legt. Mein Hören ist es, nicht ihr Wort.

Was erblickst du verneinendes in meinem Ja, als sähest du, was ich nicht wissen will, in mir. Diese Befehle ertrage ich schwerer von Tag zu Tag. Drückt der Ton mir den Rücken krumm, und ich kann mich nicht entschließen, mich wütend zu erheben, den gräulichen Prügelstab des Wunsches ohne Widerrede zu zerbrechen. Herrin über Knechte.
Bliebest du mein Traumbild nur, könnten ewig wir zusammenbleiben. Ach warum bist du mehr in meinem Tag als schöner Schein? und schwärmerisches Gedüft? Nein: ein Selbst ist dir nur gegenüber in drohender Wirklichkeit, die strebt hinweg vor den malerischen Einbildungen. Was aber giert in mir? So etwas einzufordern, welcher Diktator erbost sich diese Zugehörigkeit? Den Galgen knüpfende Gegenwart.

Der Freund bat mich, die Koppelstangen ausbessern zu helfen, was ich gern einwilligte, hinter dem kleinen Wald in einem feuchten Gebiet gelegen. Seltsam abwesend, trotz höflicher Gesten verrieten mir seine Mienen bereits, was mich verletzen würde, doch dieses zu mindern er mit mir dieses Tageswerk gemeinsam zu schaffen suchte. Stumm fuhren wir hin, und stumm arbeiteten wir bis zum Mittag, endlich begann er seine Umklammerung zu entgürten, sprach von langen Hoffnungen, von gehegten Träumen, die reifen mussten, sprach von Weissagungen, die Zeit bereit zu legen, dann von Begegnung und dabei von seiner Tatenlosigkeit, die doch seiner Wünsche Ziel erfüllte. Schließlich nannte er ihren Namen. Ich war inzwischen in immer grimmeres Schweigen verfallen, stand auf und ging abwesend die Strasse zurück, dass spät nach dem Dunkelwerden ich auf mein Zimmer gelangte. Auf dem Wege wichen indes Gram und Groll, doch mein Schweigen krallte sich fest in mein Herz.
Es beschämt ein tiefes Fühlen, sich im Geringen gesellt zu finden, welche Tiefe wir auch zielsicher vermögen, des Mannes Liebe sich gewiss zu wähnen. Es beschämt die Liebe nicht die einfältige Parallele, die ohnehin auf losen Punkten unbeachtet alles Wichtigen ruht, vielmehr die Nachgiebigkeit, die in eigene Zuneigung zu reflektieren droht.

Selbst der kleinste Friede, ein Sonnenstrahl vielleicht, der Flug eines Vogels, wird mir zernagt von meiner Einsamkeit dunklem Gewölk. Er fuhr gestern an die See, auch sie fehlte, also war meinem Groll freier Lauf gelassen, der sich steigerte und steigerte, so dass ich schließlich in unerträglichen Herzkrämpfen lag. Wie sollte ich es vollbringen, mich der plagenden Sucht zu entziehen, um wieder gesunden zu lassen, was meinen Körper an diesem Leben hält? Ich erwarte heute ihre Rückkehr, auch wenn meinem Weh eher Schlimmeres bevorsteht dann.
Sie wird nicht mehr nah mir sein, so wie vorher; Ihn werde ich meiden müssen.
Es erfüllte sich, wie ich es nicht sehen wollte, aber musste: Der Abschied als Unterstellung fällt auf den Untersteller zurück.
Zurückgelassen einiges, was keine Neider weiß, verbleibt in den Krämpfen der Träume am Tag und nächtens im Schweiß das Gebliebene in den erkalteten Leidenschaften, das Vergessene an Wärme.
Eifersucht ist - wie auch gekränkter Stolz - die nackte Eitelkeit. Ich quäle mich und will mich quälen. Leuchtend warte ich auf den Moment, da sie mir wieder Anlass gibt, mich selbst martern zu wollen.

Nach ungeschehnen Nächten, in kalter Früh lässt die Stille nicht ab von mir. Die Tat, die keine Möglichkeit hatte, wäre ohnehin nicht den Erfolg wert gewesen.
Ich stehe auf, und kein Wort hat Bedeutung, und kein Schritt hat ein Ziel, und kein Gedanke fasst einen Sinn. Der Mann ist nicht für Glück geboren. Irren auf meinen längst schon ausgetretenen Wegen, die mir bringen werden, was sie mir bereits gebracht, und Hoffnung nicht versprechen wollen und keine Rast und auch kein stilles Lied. Selbst Freunde habe ich nie gekannt, sooft auch Menschen, die mir freundlich waren, in meinen Weg sich stellten. Dem Vorübergehenden einen guten Tag, ein Wort, eine Nacht voll lustigem Wollen; doch ist es geschehen, bleibt vom brüderlichen Halt allein Erinnerung.
Wo ist ein ruhiger Punkt? Verworren eile ich von dort nach dort, kein Fleck, an dem mir Ruhe kommen kann. Junger Herbsttag, geh vorüber!

Schmerzt die Liebe, die verloren, oder schmerzt das Verlieren von Liebe? Auf der Fahrt in die Stadt verkrampft mir das Herz, und ich muss immer wieder meine Fahrt unterbrechen, um die Kontrolle über den Wagen nicht zu verlieren, doch verlöre ich sie, so bin ich es müde, mich ernsthaft zu fürchten, denn was wäre da, was mich heute ans Leben bände, dass ich mich zwingen sollte, einen tödlichen Preis zu verhindern? Ertappe mich meiner Unbekümmertheit, das Tempo über die Maßen zu beschleunigen, und es rasen Bäume und Brückenpfeiler an mir vorbei, an jedem einzelnen könnte ich kleben bleiben. Wer wäre, darum zu weinen?

Einer betrogenen Wölfin Zorn gebiert den kriegerischen Wahn, der hetzende Jäger ist nur ausführender Krieger im Sold, rührt er die Trommel auch zum Marsch, bläst er untertänig auch die Attacke, bleibt er doch nur Gehorsamer der Treiberin, jener, die so grausame Rache schwört.
Es ist nun November geworden, vor der nasskalten Luft vermag keine Jacke zu schützen. Sie versuche ich zu meiden, wissend, dass nur wenige Augenblicke wieder schnell zu Verletzungen führen werden. Etwas kündigt sich leise an, strebt auch die Erinnerung dagegen; stelle ich also fest, dass ein Ereignis naht, und weiß ich doch auch schon von seiner Gewissheit, hat es doch keinen Zweck, sich zu wehren, gegen seinen Verstand sich zu erheben.
Einsamkeit zernagt jede Freude. Gegen Abend heizte ich in der großen Küche den Ofen an, um das Essen zu bereiten und zuvor dies und das herzurichten, denn das Wetter brachte wenig Ermunterung über den Tag. Das Feuer anzufachen bedarf Sorgfalt, doch brennt es erst, so frist es alles. Reisig und Scheite betrachtend, ertappe ich mich wieder beim Versinken. Welch wunderbares Material, das Holz, und in der Vernichtung bringt es uns dann noch den letzten Dienst.

Kalte Winde werden vom peitschenden Regen begleitet. Was ich höre, trübt mein Verstehen, wendet meine Interpretation.
Beschloss und gab es wortreich allen, die sich in der großen Küche eingefunden hatten, Bescheid, dass sie allein des Sommers Früchte, die gemeinsam wir hegten, in Anspruch nehme, bewies dabei unstrittig allen Hörern, warum mein Anspruch auf ein süßes Ergebnis erloschen war, doch den Stall, den dürfe ich noch ausmisten, noch den Dung in den Garten tragen. Und ich? Ich tats. Warum der Kampf?
Dass sie verstünde, allein zu sein, schaffe Ruhe ihr und Friede, höre ich lautstark und gewaltig. Kommt im Nu wieder ein Melden und Klopfen, vergewissernd, ob noch immer Friede sich erhöhen könnte. Schon haben wir beide uns die Schuld geklagt.
Den Schmerz abzuladen, hilft uns nicht; auf andere, auch mich, die Last, die einem selbst gilt, aufzupacken, denn ist es nur Verhinderung, an mir reifen zu können. Was schlägst du mit kraftmotzenden Schwingen gegen das Leid, das dich plagt? was bringt dich so einsam ab von deinem Ergründen? Quält es mich, zu erdulden, anzuschauen das Rudern im giftigen Wasser, der Geifer spritzt allen Gaffern ins Maul, es ist deiner nicht wert.
Das anhaltende Bedürfnis, dem Verlassen eine Schuld zu geben, schleichen sich die Wünsche ein, zu strafen; aber wozu? Welche Befreiung soll es bringen, den Dolch ins Gedärm zu führen? Die Klinge zu bohren, dass der Kummer das Herz verkrampft zum Infarkt.

Der erste Frost kündigt sich an, Reif setzt sich auf das verbliebene Grün, auch auf unsere Begegnung in den kalten Morgenstunden. Sie war eine letzte Nacht bei mir und frug mich nach einem stummen Frühstück: "Glaubst du, wenn du nun gehst, dass du um eine Erkenntnis klüger geworden bist; meine Worte, wisse, wirst du nicht mehr verstehen können, denn Fantasie ist keine Kenntnis." Oh wie recht sie hat. Denn der Reif vor meinem Fenster setzt sich auch auf mein Herz und, schlimmer noch, auf meine Sinne. Keine Freundlichkeit mehr konnte ich ihren Worten entlocken, keine Liebe ihren Blicken. Wo ist meine Offenheit, wo des Frühlings warme Versprechung? Ach, Glück ist immer nur so wenig wie ein Geschenk. Vielleicht hätte es ein Abschiedsfrieden werden sollen, so wurde es aber nur eine kurze, fremde Nacht.
Brutal, die weiße Fläche geschminkter Unschuld den fremden Glotzern zu zeigen und also den Knecht in tiefste Schande zu pressen, aus der keine Erniedrigung billig genug ist, wieder ans Licht den Blick zu erlauben. Ungleich grausamer noch als jeder Folterkeller ist das weiche Rachespiel. Wie einfältig erblicke ich mich selbst daneben stehen? und wie benutzt. Erbärmliches Ziel der Unterwerfung.

So wie in der alten Geschichte die Urdaschwester, die, am Fuße der Esche den Faden des Schicksals spinnend, keine andere Möglichkeit hat, das Werg, wo es auch herkommen mag, neu und immer neu in den Strick zu wirken, bleibt des Schicksals Schwere ein Drang der Not.
Greife nach Erinnerungen, die fast vergessen mich begleiteten, krame im Kopf nach Liedern, finde nur Fetzen. Den ganzen Abend und die ganze Nacht schon ertrinke ich in Bitterkeit, und keine Kraft ist mir, mich zu zerstreuen.
Ein Quell ist es stets, obschon eine Freude auch, doch macht es mich kaputt.

Du sollst der Schwalbe nicht ihre Freiheit neiden, ohne ihre freudlosen Mühen zu achten. Was bleibt nach jedem Tag? Was bleibt für jeden nächsten?
Anerkennung ist Selbstbefriedigung. Der Genuss ist immer eigengefällig. Jede Freude nur Ausrede.
Das einzige was bleibt, ist diese Frage.
Es kann uns keine Leidenschaft davon befreien, sind wir doch selbst ihr unbekannt, entspringt sie nicht aus uns, denn vielmehr unsrer Selbstliebe letztendlich.
Der Abschied naht, von eisigen Winden begleitet.
Muss immer wieder mir in die Brust meine Hände krallen, ein Kranz engt sich zusammen, von einem weiten Ziehen in den linken Arm begleitet. Verharrend abwarten, bis der Anfall vorüber geht.
Was ist an Qual dir genug, dass ich es nicht ertragen soll?
Nicht der Wahnsinn schrieb den Abschiedsbrief des Selbstmörders, die Freiwilligkeit war die Kraft in seiner Verzweiflung gewesen, der vorzeitige Ausgang, denn jedes zielentbehrte Leben kennt immer noch seine Steigerung; kein Schicksal so eingeengt, dass es nicht noch schlimmer möglich wäre: selbstsüchtig ist der Verzweiflung Ende; Eigenliebe ist es, den Abschied selbst zu gestalten.

Ich beginne wieder zu schreiben und spüre bereits, wie mir die Hand schwer wird, gleich ich den Versuch wieder aufgeben werde, suchend, wohin?
Wie kostbar das Schwarz in meine Verborgenheit drängt, zerpflückt den Rhythmus in kleine Ungenauigkeiten: schwer fällt die Stille ein.

Freiheit ist besetzt mit Angst, und so vermag sie uns nicht jetzt und nimmer zu ermannen. Schmachten wir in Freiheit, Sender aller Siege, die als sanfte Träume bleiben, flehen wir um unser banges Fehl nach Dienst und Zwang - aber gleichsam auch nach einem Ziel.
Der Mörderin muss ich entfliehen, doch wohin?
Was bleibt zurück, wenn der Tod sein Werk erfüllt und der Nebel des Vergessens alles in einen dichten Schleier hüllt.
Die Jahre fliehen schneller, immer schneller, kaum dass der Frühling die fleißigen Hände rief, schon mahnt der Herbst zur Eile. Dem Knaben ist das Jahr noch lang und endlos, dem jungen Stürmer eilt es gerade schnell genug, doch den Mann ängstigt immer mehr die Beschleunigung. Die Flamme bringt Hitze und vergeht ohne Spur.

Jeder, der zu sehen verlangt, verlangt nach dem Meer. Ich will hinfort, das Meer in seinen Stürmen und seinen Gewalten in mich hinein nehmen. Das Lied vom Fallen will ich den Wellen übergeben. Wann werde ich es wieder sehen? Wird mich die freie See vom festen hohen Ufer hinabreißen, die drohende Brandung mich gegen hartes Gestein werfen?
Wie schutzlos das Wasser, so grausam ist es auch.
Mich aber lässt selbst die Ruhe allein. Es fehlt der Trost des Endes. Schwere Dinge sind nicht mit leichten Namen zu benennen, tiefe Gefühle nicht mit Worten. Wer war Brandstifter, wer schwang des Friedens Lob? Schleimige Ränke rekrutieren ihre Ausführer.

Schmerz und Furcht und Freude sind doch gleiches, sie trennen sich im Lichte und vertauschen sich im Dunkel.
Gläserne Berge der gescheiterten Hoffnung.
Doch, alles findet eine Lösung im Blute. Vernichtung: der geheime Wunsch des Menschen. Zurück bleibt das besudelte Messer, Zeuge der rot tropfenden Befeiung immer wieder alter Rache und immer wieder einer blutigen Schuld.

Nichts Freundliches sehe ich mehr, verhärmte Blicke, wenn ich sie sehe, was ich zu vermeiden trachte; starre Züge und Schweigen. Die Hingabe an die Lust der Sinnesfreuden führt nicht zum Ziel. Es führt auf den endlosen Ring der Aschenbahn, zu laufen, um Sekunden einzuholen, bis die Erschöpfung den Gehetzten übermannt. Stürzt er in den Staub, überfällt Ermattung den Kraftlosen, und es gerinnt alles, was vorher fließen wollte.
Ziel allen Lebens ist Vergessen und Verwesung.
Diese ewige Schlaflosigkeit, zum Abend hin muss ich mich betäuben, um mir ein wenig Schlaf gönnen zu wollen, wühle aber dennoch bis zum Morgen mich umher, und zermürbt beginne ich wieder einen Tag. Welches Dunkel der Nacht ist schwarz genug, mich zu verbergen?

Ein Drangsal mahnt Abstand, und das Stechen in der Brust gibt Anstoß, dem Leid eine Brücke zu fällen, strammt das Seil, zu erhangeln den besseren Lauf über dem schreienden Abgrund. Krampft in die Schultern hinein die Wehmut.
Wie ich kam, so werde ich wieder gehen müssen, selbst die Formen mühten sich nicht, das Gleichnis zu verschleiern.

So sehr ich auch den Ofen füttere, mich friert. Spät wird es hell und früh wird es dunkel, und ich weiß: Das Festhalten am Sein bringt mich nicht weiter.
Wie das Herz mir in der Brust vom breiten Lanzenheft in klaffende Wunden zerbirst, den Körper erfassendes Ziehen, Atemnot bringend. Und halte die Lanze am Schaft umschlungen, halte sie, die mich verbrennt, weil vom Sein ich nicht lassen kann.
Meine Blicke suchen durch das Fenster die Nacht. Dort, als sei unvergänglich die Welt, erscheint der volle Mond am Osthimmel, der Frost macht die Sicht ganz klar, und zwei Begleiter nimmt er mit auf seine Bahn: Mars und Saturn, strafende Schwestern der Erde so klein neben der kalten Mondscheibe, die zum Aufwärtssteigen sich annimmt.

In den dunkelsten Tagen des Jahres dringt unerbitterliche Kälte ein. Ich werde in den Ostwind fortgehen, in den Frost, gegen Gestöber, über krachendes Eis, verharschte Schneekruste und hohe Wehen. Werde nicht zurückblicken und nirgendwo ankommen, denn dort, wo es neu mich hin verschlagen könnte, stünde ich doch nur wieder vor einer gleichen Unlösbarkeit. Fort ohne Ankunft, nur fort!

gekürzte Fassung: 13.02.2003