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Rainer Nowotny Rainer Nowotny


Was soll uns zum Ergötzen bringen, wenn nicht der Jubel uns auf die Bühne dringen will; was soll uns bleiben nach dem Abschied, wenn der Ruhm uns vor dem Abschminkspiegel nicht noch trösten möchte. Verlassen stehen geräumte Säle wie vom Laub befreite Bäume im Herbst, die sich eines langen Winters die Kraft entziehen. Verhallen zwingen die Stufen von den Vortragsbrettern hinunter in die Garderobe, ohne Pathos begleiten nüchtern die stillen Töne unseren Abgang. Hilft es nicht, des Verklungenen zu gedenken, weniger noch den Beifallsströmen, die Eitelkeiten für uns beide sind.
Drang aus unser Spiel nicht manch akkordisches Zusammenfallen, diverses Virtuosizieren, gestalterische Vielfältigkeit; und waren wir nicht froh, wenn's jemand hörte, dem es gefiel, der zum Applaus sich ansetzte und ohne Zögern unsere Zeche auch noch übernahm.
Es gibt was besseres nicht, vom Musizieren seinen Lebensunterhalt bestreiten können, wenn nicht nur Brot und Wein beglichen werden, nein, wenn auch Lob und Anerkennung ungezügelt einem nachgleich aufgedrungen wird: nimm hin des Publikums Ehre, es gilt dem eifrigen Gefaller, der gefallen muss, will er was dran verdienen.
Doch vom Gefallen müssen wir abkehren, wenn wir ehrlich bleiben wollen; zu bitter ist das Wahre in der Kunst. Keinem will das Wahre, Bittere auch nur einen Funken Freude bringen.
Wie sind uns der Etüden überdrüssig, überdrüssig auch den Varianten der Gestaltung, die offen nicht mehr lassen, was an scholastischen Versuchen inhaltsschwer zu schwängern wäre. Ja selbst der schmerzliche Ausdruck quält uns in abgezählten Farben, die manche heiße Sonnenglut uns bleichte.


Darum wenden sich, die offen sehen können, in ihrer Last entweder den Liedern hin oder sie gehen unseren Weg; der führt uns in die tiefen Grotten, von denen wir eine innere Sicht uns erhoffen. Gehen wir in die Höhle der harten Gesteinswelt, aus der die Wetter drohend dem zarten Leben trotzen. In das Innere der Berge lass uns ziehen, wo die Musik verschlungen wird von ausgewaschenen Mineralien, wo der Muschelkalk von Millionen Jahren geduldig das dumpfe Wollen erträgt.
Den Weinenden schmecken bitter die Tränen, süß aber schmecken sie dem, der sie von der Wange küsst.
Wiederkehren lass uns in die Welt der Menschen, wenn die Festen der Musik, jene die von Menschenhand erdrungen werden, offen vor uns liegen, wie die klaren Gebirgsbäche, die eben erst die Höhle verlassen, in der sie geschützt vor der Sonne wärmenden Schmeicheleien nur am harten Fels sich labten, bevor sie sich in die Täler abwärts wagen. Auch wir wollen hinter die Gesetze kommen, sie zwingen mit unserer Sprachgewalt, von der wir zu mächtigem Gebrauch uns ermannen.
Was dürstet es mich, zu vollenden, ehe noch zu diesem Thema je ein Ende sichtbar werden kann.



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Ja, ich sehe den Tänzer, der, ins Dunkel hinein, sich verbirgt, nicht gesehen zu werden, da seine Kunst ihn zu schön anmutet, als dass sie von einem müden Auge dürfte übersehen werden. Doch was verschließen sich die Schreienden vor den Schlafenden; sollten nicht mehr die Schlafenden sich von den Krakeelenden zurückziehen?
Sosehr sich der Denker vom Ausführer entfernen möge, sosehr muss doch der Gedanke des Entferners bei dem Wesentlichen bleiben, was der unwissende Ausführende, ohne seine Ahnung darauf zu bringen, doch nur sich gestattet. Nur zur allerhöchsten Frage durfte Parmenides sich in die Luft begeben, dass der unerfahrene Pfad der ist, welcher ausgeschlossen. Was hätte er billiges tönen sollen? Auf der ziehenden Erde verwurzelt wäre sein träger Schritt verblieben, aber er erfrechte sich zur grundsätzlichen aller Fragen und fand den Flug: erhellt zu werden war des Weges Sinn. Und sinnig ist, dass die Erkenntnis nur eine Form kennen will: die neue Frage. Sprache ist es, was die Wissenschaft uns bringt, um aus dieser Sprachgelehrsamkeit unsere bis dahin ungesprochenen Fragen äußern zu können.


Oh welche Angst liegt uns im Nachdenken: der Bettelstab winkt unserem Geiste frohlockend entgegen.
Kommen wir auf den Anfang, auch wenn es ein Gleichsames ist, woher wir anfangen, da immer wieder dorthin zurückgegangen wird, doch muss sich für jedes Sinnen ein Beginn stellen. Der zurückgezogene Wunsch macht es noch nicht.


So wirr und zerstörerisch kann kein Herangehen an etwas Musikalisches sein, um nicht einer einzigen Erscheinung zu pflichten: der Wohlempfindung. Ihr unterliegt alles Trachten und alles Entfernen, jede Hingabe und jedes Fliehen, jede Belehrung und jede Unterwerfung.
Was meinte Orpheus in dem, was seine Hörer die Harmonie nannten, und auch Pythagoras oblag dem, dass nur die Harmonie den Stein erweichen vermöge und natürlich das Herz und die Augen öffnen kann für die Erkenntnis. Dass Harmonie die wohlklingende Zufriedenheit zwischen nachbarlichen Festen ist, das bringt uns die Gesetze und erschrickt uns in Uneindeutigkeit, obwohl wir doch klare Einigkeiten zu erkennen uns nicht streiten können.
Über die Wohlempfindung entscheidet bei den Weibern unter den Männern das Herz, bei den Männern unter den Weibern aber der Geist. Letztere haben es schwerer zu Lebzeiten, verweilen aber länger in der Achtung, später. Die Zeitgenossen sind jetzt schlecht und billig in der Urteilskraft.
Der Geist trachtet nach der kepplerschen Schönheit: Sklave des Zwecks. Was der Mensch dem Menschen an Schönheit übermittelt, lebt im Zweigespann von Äußerung und Wahrnehmung, nicht gleichberechtigt, doch gemeinsam, so der Äußerung zwei Wahrnehmungen folgen sollten, wenn sie nicht verhallen, die eigene, zurückwirkende und die des Fremden, erhofftes oder zufälliges und also heimlich erhofftes Ziel. Wohl schreckt im Traume, immerwährende und mahnende Ausnahme, Wahrnehmung und Äußerung weder von außen herein, noch nach außen heraus, zeitgleich, ohne räumliche Distanz, in der Einheit von Quelle und Ziel. Unser Wachen trennt den Quell von der Mündung des Flusses, auch wenn die Quelle als Ziel der Rückkopplung zu stehen Veranlassung und Notwendigkeit findet.



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Wen können wir je erreichen wollen?
Alles was wir über Musik sagen könnten, wäre doch wieder Musik.
Aber sei es: Ziel der Kunst ist die Erhebung des Empfangenden. Die Darstellung einer Form aber ist das Mittel.
Wenn eine künstlerische Ausführung aber keinen menschlichen Schöpfer hat, so fehlt ihr auch das Ziel, obschon das Mittel, die Darstellung einer künstlerischen Form, durchaus löblich sein kann.
Aber, mein liebster Martinus, ist es nicht die Suche nach dem Kern der lebenden Dinge, was uns in die abstrakte Überlegung drängt, nach dem zu graben, wie es geschieht, wenn wir denken zu erfinden und Inspirationen auf ein Blatt Notenpapier kritzeln. Was ist die Bewegung, zu deren Anlass die Noten folgen, uns erfreuen. Den Ursprung dieser Wahrheit der Musik kann man nicht durch Musizieren ergründen, einzig über das Abstrakte, sei dieses auch dem Vorwurf der Weltfremde ausgesetzt.


Müssen wir als Alchimisten verantworten, woran wir grübeln, ob es Folgen haben wird und ob sie schwer sind für die Menschheit? Ob Gefahr ist für die ethische Hoheit oder nicht. Will diese Frage den Überleger davon abhalten können, jenes zu probieren, dem sein Bestreben gilt? Vielmehr heißt doch offen zu legen, was sein Bestreben ist, die Studierkammer zu verlassen, das Labor! Auf die Strasse zu gehen: hier ist es! Wenn dann ein Maschinenstürmer daherkommt, entbrennt der Krieg zwischen Stürmer und Alchimisten. Dennoch, dieser Krieg hat fruchtbaren Boden für einen Frieden.
Nicht das Suchen ist verwerflich, vielmehr verwerflich nur ist das Bestreben, eine Ausbeute in Geld und Gold zu erlangen. Dieses aber läge uns für alle Zeiten fern!

 


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Beachte bitte, wie es unserem Lullus erging, der nie verstanden, abgesehen von jenen Eingeweihten, die ebenso wenig Verständnis empfingen, denn: Strenge Disziplin verbaut den Zugang zu den Menschen.
Dem Lullus, der sich allein mit logischen Neuerungen abgab, unterstellte man gar, er hätte erfolgreich Metalle edel umgeschmolzen. Anderen unseresgleichen unterstellten Schimpfer, dass sie Wärmeextraktion des Meeres betrieben hätten oder ähnliche Undinge.
Werfen weiterhin jene, die wir einfältig nennen wollen, zahlreich sind ihre Brüder, dem Alchimisten vor, er verbinde Logisches mit Unergründbarem; werfen die gleichen doch dem Philosophen vor, er verbinde Einfaches mit Schwierigem, hör ich fauchen: Sinnlos sei es allemal. Jedoch, gedenke ich, schult Theoretisches unser Gefühl fürs Feine.
Als Inspiration bezeichnet einer ein Ereignis, welches seiner eigenen Meinung nach den Ursprung nicht in einem Formalismus hat; kennt ein Musikkonsument nicht den Formalismus, dem ein Musikstück zugrunde liegt, so denkt er, die Inspiration des Schöpfers fühlen zu können; wenn ein Mensch eine Inspiration hat, so heißt es lediglich, dass er nicht weiß, ob nicht gerade ein Formalismus seine Gedanken regelte; sind hingegen Inspirationen klar durchschaubar, so findet sich auch ein Formalismus.



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Sitz ich seit Jahren schon, den gleichen schweren Kopf in meine gleichen Händen stützend, in gleichen Wänden, die mich engen, auch wenn die Wände heute im Norden stehen, zuvor standen sie im Süden oder Westen oder irgendwo in einer anderen Stadt. Seit Jahren mit den gleichen wirren Gedanken, abgeschieden vom Glanz.


Von hohem Thron, mein teurer Christian, lässt sich aus den Augen eines Überlegenen auf den Einfältigen das Wesen erkennen.
So übermannt uns die Pflicht, sofern wir uns berufen fühlen, auch wenn's uns wenig einbringen will. Bleibt doch der Standpunkt nicht minder erhaben: Die Dummheit des Hörers ist die Gattung der Musik, die von der Kunst zu entfernen weiß.
Warum ist die Melancholieauffassung aus barocker Zeit uns offenbar? Doch nur da uns aus dieser Zeit eine Nähe zu den wenigen hohen Geistern nahe steht (vor dieser Epoche ist uns alles recht fern), Barockes uns bekannt: fallende Melodie, abwärts gewandte Basslinien, kleine Schritte und keine flinken Tempi.
Denke dir bitte das Sehnsuchtsschwangere der Ostmusik mit ihren aufwärts strebenden Melodien, aber engen Tetracorden. Wie anders und doch wie gleich in der ziehenden Flucht, in den Abschiedsgesang vom Licht.


Wir aber abstrahieren, dass wir eines Tages noch das Gehör verlieren: Der Klangkörper als instrumentales Werkzeug ist Instrument der Verarbeitung musikalischer Ideen, orchestrales Gebilde. Heute hingegen erfüllte sich die Abkehr von instrumentaler Besonderheit des Musizierenden. Die musikalischen Schaffensprodukte sind unabhängig vom genutzten Instrumentarium, erfüllen die gleiche Erwartung.



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Die Erklärungen der Welt sind vielgestalt, wenn auch nicht immer von gleicher Güte, so gibt es dennoch unendlich als plausibel geltende Ansätze, so dass wir keinen als einzigartigen bezeichnen dürfen.
Die zufällige Reaktion ist nur eine Erscheinung unbelebter Materie, oder anders ist der Zufall eine Ohnmacht des Lebendigen, die materielle Kausalität nicht erblicken zu können.


Die unmittelbare Sinneswahrnehmung ist kein Gegenstand der Phantasie.
Vier Punkte benötigt der Konstrukteur, eine Räumlichkeit zu erfassen, vier sind der Elemente, die irdenen Zustände zu umfassen, vier Zahlen vereinen die Harmonie der Welt: Die erste Weltzahl symbolisiert das Gerade, die zweite das Runde, die dritte das Verborgene und die vierte das Lebende. Nicht ausreichend, die Welt umfassend zu spiegeln, doch für den Suchenden ein Sinnbild; heißen doch frei entfaltete Größen Zustandswesen, und führen nicht durch der Gleichung Harmonie die Weltzahlen zueinander?
Wollen wir Berechenbares ergründen in der Musik, so bleibt uns von allen Harmoniezuständen einer nur: die Eins, Proklamat des Ungekrümmten.


Ergründet sich aus den Komplexen der Welt die Musik als Klares und weitaus Verständliches, Gerades. So ist gar auf einfache Art etwa der Begriff der Synkope, von der jedem eine klare Vorstellung ohne Nutzung der Worte innewohnt. In eine Definition gewälzt, wie in den Gürtel der Betonung einer Nebenzeit, der sich fortan greifen lässt, schafft Unbehagen. Abstrakt fragt sich der Vergangenheitsvergleich, ob die entsprechend vorgelegte betonte Zeit schwer war, anderenfalls ist die nichtschwere Zeit Synkope, wobei wir gezwungen werden, irgendeine immerschwere Zeit etwa auf die Eins aller ungeraden Takte zu küren.


Doch zu deinem Thema: Die Musik schöpft aus vielen Quellen und doch hat sie Vater und Mutter: Die Mutter ist die Muse, vertritt die Eingebung und die Empfindsamkeit. Der Vater aber heißt Johann Sebastian Bach. Bach selbst ist dabei nur der Repräsentant für die harmonische Epoche, und diese beginnt, wo sich Scholastisches mit Musik verbindet.
Erst nachdem das Scholastische die Musik ergriff, gelang es dem Hörer, die Musik harmonisch zu interpretieren. Nun wurde der Sinn der Musik ein Wortspiel. Die Harmonik als Interpretiertes oder Durchdachtes, dort wo Polyphones und Melodisches inhaltlich und interpretativ hineindrängt. Mit der Harmonik nun entwickelt sich die Phänomenologie des Werkes. Die Herausbildung des musikalischen Werkes als Struktur über der Musik, die Definition der Sätze, die Aufteilung der Sätze in die Einheiten bestimmen diese Herausbildung des Werkes, auf der harmonischen Interpretation einen Platz suchen. Die Wahrheit wird erschaffen, nicht erkannt. Erkannt wird nur das Bild. Das Bild eines Werkes.
Die Herausbildung des Themas als Gegenstand der Entwicklung - Ursache und Ziel des Schöpfungsaktes eines Werkes - geht einher mit der Etablierung der Werksarbeit überhaupt. Dem Werk wird es Aufgabe, das Thema zu erarbeiten und durchzuführen, später Variation; auch Gegenthemen wollen erarbeitet sein, die ihrerseits in die Durchführungen fallen.



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Aus dem schier unerschöpflichen Maß der möglichen Existenzen strenger oder freier Gestaltungsvarietäten tröstet uns der enge Rahmen der abendländischen Harmonik mit der Ehrfurcht erregenden Vielzahl von Genies dieser Disziplin, die jedem feinsinnigen Liebhaber die Angst vor deren Unsterblichkeit vor Augen halten, eine Aufzählung findet kein Ende, begibt man sich erst hinein, bedenkt man gegenüber haltend immerfort der allzu drückenden Grenzen abendländischer Musiktheorie. Bis endlich diese abendländische Musik in ihrer Strenge und Schönheit den Gang auf das Schafott aller lebenden Künste geht.
Gedenkt nur, wer wird nach ihrer vollendeten Arbeit nicht alles gezwungen sein, sich seiner falschen Herrlichkeit entkleidet sehen zu müssen. Die Spötter wechseln über den Fluss: triefen wohl selbst von Nichtigkeit, aber der Beifall für die unscheinbaren Werke, gedacht für unscheinbare Menschlein, Kleinkunst genannt, wird verlieren jeden Glanz. Die Freude will in der Kunst nur schwer gelingen, doch Trauer fließt uns aus der Feder so gut wie die Verwirrung. Oder hast du je dich ertappen wollen, in eine Erquickung zu fallen beim Hören von Harmonien, nein, nicht meine ich die Freude der Begeisterung eines Geniestreiches, der uns zum Bewundern lauthals grölen lässt. Nein, du weißt es, Frohsinn kommt aus anderen, weniger kraftvollen Aufführungen. Die Musik kennt kein Lachen-Bringen, denn in ihr waltet Ernst, gelegentlich nur die Böe des Erhabenen. Wenn aber die Aufführung einen Musizierenden zum Lachen bringen sollte, so, weil er, der Geringe, seine eigene Musik mit Hohn schmäht, so ist es Vergewaltigung des Schöpfers.
Nein, Humor ist nicht ein überwundenes Leiden, auch nicht die Heilung vom Weinen, vielmehr ist Humor das blinde Verdrängen des eigentlichen Schmerzes; daher ist dem Ignoranten so wohl.



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Ertüchtigen wir also Freundschaft durch Arbeit, in unserer Aufgabe.
Nicht die Empfindung verhilft uns in die Abstraktion. Den Gegenstand der musikalischen Eingebung interessiert nur der eigentliche Zeitpunkt der Schöpfung und der Rezitation.


Die Funktion der Kunst, welche die Last trägt, Schönheit schöpfen zu wollen; wer aber will diese Fähigkeit behaupten wollen, ist's doch nichts anderes als die Herausforderung, die Augen öffnen zu helfen, Schönheit empfinden zu lernen, gleich ein Stillleben im Betrachter ein Stück der Schöpfung zu bestaunen auszulösen mitunter vermag. Musik aber ist Schönheit und Trauer in ihrer Vermischung


Eine Meinung niedergeschrieben, ist sie schon schriftliche Wahrheit.
Ansatzpunkt für eine musikalische Schöpfung ist neben dem Beherrschen der Musiktheorie allgemein eine glückliche Inspiration. Sind die Inspirationen einer Gattung hingegen klar, durchschaubar, so findet sich auch ein formaler Hintergrund. Sie offenbaren sich nur als Kommunikationskluft zwischen Bekanntem und Unbekanntem.
Beachte bitte auch die Nachvollziehbarkeit einfacher ästhetischer Grundsätze, die in der Sprache eine Übersetzung finden müssen, so wie sie in der menschlichen Kunst ihre Gleichnisse zum Vorbild haben. Gleichwohl alle Formen musikalischer Kompositionen, um so mehr noch sich der Schöpfer von großen Bildern einstimmen gefallen lässt, seines Laufes Wege überantwortet, im abendlichen Erkennen nach dem Verklingen und Hören des Werks ein Analysieren sich jemand gestattet, es in zwei Grundsätze der Schönheit zerfällt: Steigerung und Wiederholung, darinnen sich alle Mittel auflösen, weislich der Eindrücke des Ganzen zu entziehen. Teile und Ganzes, inhaltslose Brüche, abgebildet auf der Klarheit Pergament, offenbart ein siegreiches oder peinliches Spielen mit Wiederholungen und Steigerungen.
Selbst die Effekte der Unterbrechungen, der Auflösung, des Trugschlusses, der Übertreibung usw. ordnen sich der Behandlung von Steigerung und Wiederholung unter.



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Musik ist, wenn die Geräusche einem Rhythmus sich zu erkennen geben; Musik ist aber auch, wenn die Geräusche als Klang sich zeigen und wandeln. Währt der Klang, und gleiches muss dem Rhythmus zugestanden werden, so gestaltet dieser einen Aufbau von Informationen für den Geduldigen in einem zeitlichen Fluss. Und neue Eindrücke erwachsen aus den Modalitäten der Fortschreitung.
Vor der Wahrnehmung aber legt sich die Stille auf den Erwartungsvollen, bis dass es den Laut empfängt, des Menschen Wille nun Gewalt ergreift, dieses empirische Ereignis zu verschlingen: Wie kann er mit seinem Körper, seinem Geist diesen Laut, willkommener Störer seiner stillen Vorzeit, zu Informationen verarbeiten?
Denn so lehrt die Grasnetik: Je einfacher die Erklärung, desto plausibler der Ansatz.
Was für ein langer Weg war den Theoretikern vor uns auferlegt, die Musik zu führen vom Lied zum Werk, die Methode aber war scholastisch. Unsere Methode bei der Formalisierung von Kompositionsalgorithmen aber ist die der formalen Sprache und will doch nicht so steinige Wege vor sich haben, da uns die Grundlagen der formalen Musik schon aufgetischt wurden. Nur wenn Musik sich liebevoll von der theoretischen Durchdringung führen lässt, kann sie uns fesseln, so dass wir vergessen, dass liebevoll wir uns von der Musik führen lassen, wenn wir die Durchdringung in ihr hören.
Den Abschluss auf dem weiten Weg zum Werk stellten die Weihstücke von Richard dem Einzigen. Hernach glitt der beschwerliche Aufstieg wieder herab in die laue Ebene der unterhaltsamen Kunst, ein zweiter Weg aber schritt weiter den Gipfelkamm in das Formale. Die Unterhaltungsmusik nahm die verblassende Schönheit der Musik in das laue Tal mit sich; der formale Weg über die Gipfel behielt den inneren Zusammenhang und die Logik.
Das Unvollständige kann uns weiterführen, das Vollständige wird nur beglotzt.
Bis an die Grenzen der Tonalität, wo das Scholastische der Musiktheorie des Abendlandes die Auflösung bekommt. Zwei Wege verlassen den Grenzstein: Das Verlassen der Tonalität durch das Auflösen diatonischer Ziele. Auf der anderen Seite wir, die wir alle tonalen, polyphonen und harmonischen Haltestangen in formaler Arbeitsweise auf ein Niveau von Maschinen herabsetzen; und also Inspirationen durch Algorithmik schänden und Dilettanten wie Narren beunruhigen müssen.



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Als es die Notenschrift des von Arezzo noch nicht gab, gab es kein Suchen nach den Noten. Uns aber steht das Rätsel: Wie sind die Melismen der Vorzeit, die Wende leitete tatsächlich diese Schrift, Haltepunkt und Schlagbaum für die Freiheit der Musik, in das Verständnis ein, in die Elemente aufzulösen: In Tontrauben?
Lieber Freund, wir wollen doch wohl jetzt nicht behaupten, dass die Notenschreibung des v. Arezzo die stumme Verabredung zwischen Erdenker und Ausführer der musikalischen Gattung nicht mehr bedarf, vielmehr muss dies' vor jedem Federstrich und jedem Aufblick zum Anfang gesellt sein. Wollen wir aber einem Automaten das Geschreib der musikalischen Ereignisse übertragen, so müssen alle - und wohlgemerkt ohne Ausnahme alle - stummen und selbstredenden Absprachen in das Geschreib hinein. Sodenn füge dem Notengebilde neben dem Zeitelement, dem Wertelement aus Ton und Oktave, noch einen Wert hinzu, der hinreichend den Verlauf des Tons beschreibt: Gleichmehr verlange ich, dass die klangliche Bestückung und instrumentale Ausführung des Notengebildes dem gesamten Stück - als Einzelstück - des musikalischen Werkes geschlossen, aber hinreichend genau zuzuordnen sei. Dein Martinus



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Schwerlich würde ich gegenüber unterdrücken können, was wohl bekannt ist, die Gesinnung eines Pythagoräers: Die geringen Zahlen bis 12 bergen bereits alle Geheimnisse der gesamten Berechenbarkeiten. Die Frequenzbeispiele am Monocord beherbergen schon die Vielfalt der Musik.
Eine Zahl ist bereits ein mathematisches Konzept.
Pragmatik ist zuhöchst die Methode der Sprachimplementierung. Doch nicht die Beantwortung der Form von Angelegenheiten hilft uns weiter, einzig vorwärts bringen die Angelegenheiten der Bedeutungen. Dieses semantische Begehren ist uns möglich über dem Modell, welches die Geometrie auf musikalischen Einheiten uns in die Hand geben nun ermöglichen wollte.
Beschränken wir uns in unserem Ausfluge also einmal darauf, unter Musik allgemein einzig die Gesamtheit musikalischer Werke und deren unmittelbare Wirkung auf unseren Geist zu verstehen, nicht aber ihr höfisches Trachten. Indes die Musik aus ihrem gesellschaftlichen Umfelde herauszureißen, handelt uns den Vorwurf ein, sie als ein totes Ding zu betrachten. Der Leichenschändung Vorwurf trotzend, entgegnen wir, nicht als Teilnehmer für die Musik ein theoretisches Fundament schichten zu wollen, sondern, dem Alchimisten gleich, als Außenstehende. Doch ein solches Abstrahieren setzt die Beschränkung des Stoffes unbedingt voraus. Denn nur die Beschränkung macht aus Erfahrung kluges Denken.

 


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Hört nur und lass mich stöhnen über die wohlgenährten, dreisten Professoren, mit welcher Fälligkeit des fetten Mastschweins sie über manch Neues ihre Häupter erheben suchen, steif aus eichnen Sesseln ihrer Dozentenberufung schnäuzen, rückt eine junge Idee, deren Zeit sie fürchten, von der sie ahnen, dass diese die Zerstörung ihrer bisher auch fest verschweißten Lehrmeinung nahe wallen lassen mag; mit der Wut allen Frischens dahinfahren, wird jede Verknöcherung an Gelehrigkeit in die Billigkeit gestoßen mit grölendem Jubel.
Wie werde ich dabei sein und mich des Stürzens freuen!
Lies nur die Worte dieses Schlendrians von Brandt, nennt sich Kantor der Halleschen Marienkirche, nennt sich Sohn des Algebraikers, will er doch kreischend sich erlauben, die Geometrie der Musik schelten zu wollen, die akkordischen und tonalen Dimensionen seien zweierlei - wahrlich zweierlei sind sie, wie zwei Freiheitsgrade zweierlei eines Systems sind.
Oder glaube nur, dieser Professor, zu allem Überfluss Kluge geheißen, Erbe von Winkelmann sich dünkend, nur weil ein Institut leitend, welches einstmals entstand unter weiser Hand, maßt sich das Urteil zu verkünden an, unsere Geometrie der Musik tauge nicht zur chromatischen Musik, aber gerade dort zeigt sich doch die einfache Fassbarkeit jeder Erklärung, die nur durch unsere Geometrie zum fassbaren Ansatz wird.
Die gemästeten Bonzen - der Hörigkeit unterwürfige Tiere - was wollen wir von ihnen verlangen?
Lieber Freund, lass uns der Empfehlung entsagen, lass uns der öffentlichen Anerkennung grollen, jeder Anerkenner fürchtet stets um seinen eignen Stuhl.
Wisse doch; Du weißt es wohl: Jedes musikalische Fundament vollzieht sich letztendlich in Zahlenmystik, darob jede Abstraktion der Elemente als Figuren, Motive, Töne, widerfassbar ganze Werksteile gar immer der Kardinalordnung eines Zahlensystems entspricht, sind diese eben selbst nur Bewusstseinsgegebenheiten; ebenso wie eine Notenschrift der Schöpfung des Bewusstseins entsprang, in der Geschichte der Menschheit aber als real und unumstößlicher Fakt tyrannisch regiert.
Welch Bestreben drängt uns, musikalische Traumspiele in menschliche Vernunft zu versteinern und umgekehrt, menschliche Vernunft in Traumspiele aufzulösen. Mild und fromm erhellen sich da die beiden Außenseiter, die im Dunkel der Nacht die Trennung verbannen: Astrologie und Zahlenmystik: Traumspiele und Vernunft in ihrer Einheit packen.



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Wahrlich, was Euklid mit den Gebilden der Ebene, auf Punkte herunter gezwungen, gelang, liegt uns nun vor: Geometrie der Musik. Wahrlich ist es eine Geometrie dieser, ganz ähnlich zu den Räumen, die wir sehen oder sehen können, tritt uns der Raum des Musikalischen auf durch diese Struktur. Sofern es uns gelingt, mit diesen Gebilden die Prinzipien der Schönheit, wir sind es gewohnt, dieses als Musikschüler erlernt zu haben, in formale Wortgruppen zu lullen, so stehen wir vor der Möglichkeit: Maschinen der musikalischen Formalismen.
Eine Syntax ist schnell gefunden, diese knechtet sich die Semantik, sofern die Leitern zu den hohen Fenstern gebaut, was nun geschehen.
Nicht will einer sagen können, ein genialer Geist ist in der Musik nun nicht mehr vonnöten, vielmehr überträgt sich nur der Anspruch auf die Wahl der Sprache und die Vielzahl der Bevorzugungen. Auch wenn ein Produkt selbst neue Produkte hervorbringt, bleibt doch der Anspruch immer nur soviel erfüllt, wie vom Schöpfer es hineingetragen.
Die Lehre der musikalischen Schöpfertätigkeit einer Maschine beizubringen, bedarf eben eines exakten und vor allem logisch geschlossenen Begriffssystems, mit dem jede Arbeit sich auf eine Rechenleistung herabsetzen lässt. Eine Lehrbuchstudie kann damit in eine formale Sprache übersetzt werden. Ein Algorithmus baut sich wie ein Baum auf dem Fundament des Konstrukteurs, doch wehe der Fluss fände eine Durchlässigkeit in der Logik: Alles bräche zusammen, die Brücke verließe dann ihre starken Pfeiler.



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Was uns langweilt ist, was wir erfassen ohne Mühe bis in den tiefsten Grund und dabei keinerlei uns strecken müssen.
Werter Freund, so will ich denn angehen, dem Algorithmus, den wir besprachen, eine Ermöglichung zu geben, indem ein Prozess dergestalt abläuft, dem Algorithmus des gedachten Planes eine materielle Form zu geben. Dabei denke ich an eine Zustandsmaschine von - der einfachen Erklärung zuliebe - zwei Zuständen, die als Tupel jeden noch so komplizierten - jedoch abzählbar in dieser Kompliziertheit - hinreichend beschreiben, im nämlichen dieses Tupel von Dualitäten im Prozess verschiedenen Verknüpfungen und Operationen unterworfen wird, die also diesen Algorithmus modellieren. Die Konstruktion einer solchen Maschine überlassen Sie getrost mir; ersinnen Sie vielmehr den semantischen Hintergrund, um uns gemeinsam eine zufrieden stellende Syntax zu erarbeiten, denn gerade an den Kanalarbeiten der strukturell unabhängigen Gravuren der Seinsbeschreibung mühen sich unsere Hirne am schwersten; dies sind aber Prozess, Syntax und Semantik.
Wohlan, machen wir uns an's Grübeln!



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Ob Begrenzungen musikalischer Werke sich erlauben lassen? Sehe ich mich des Widerwillens ertappt. Nimmer sollten wir die Frage auch nur gestatten nach Begrenzung.
Doch scheint es nicht von großer Mühe, eine Verwaltung beliebig großer Werksmomente auf kleine Datenmengen zu karteien. Ein Verwaltungsglied - etwa ein Melodieabschnitt, oder gleich welche Einheit man zu wählen gedenkt - ist aus n Noten in strenger Folge wohl bestimmt. Anstatt einer n+1-ten Note soll sich in diesem Verwaltungsglied ein Verweis finden, dessen Inhalt die Adresse des nächstfolgenden Verwaltungsgliedes dieser Melodie darstellt. Beginnen muss demnach gleichsam jedes Verwaltungsglied mit dem Verweis auf seinen Vorgänger. So bleibt man unbegrenzt, doch abzählbar.
Dennoch, über eines sollten wir Klarheit unverhohlen eingestehen: Bei der exakten Begriffsbeschreibung ist Abstand zu nehmen von uneindeutiger Schaukelei, die Gebilde in Plausibilitätsbetrachtungen bald in die eine, bald in die andere Zusammenschreibung zu bringen. Es bedarf denn zweier Methoden, um die Gebilde der theoretischen Kompositionskunst widerspruchsfrei aber nicht frei von Sinn zu formulieren:
Methode 1: Die Einschränkung der Bedeutung auf abstrakte Inhalte. So soll ein Akkord nicht das Zusammenklingen von Tönen beschreiben, sondern er definiert sich als direkte Summe unserer abstrakten Noten.
Methode 2: Modulation von Definitionsinhalten. So soll beispielsweise eine Tonart nicht von einer Kadenz bestätigt werden, auch wenn in der Aufführungspraxis immer von dieser Redeweise der Gebrauch gemacht wird, dieses aber vom Wesensinhalt der kadenziellen Denkweise ablenkt; vielmehr haben Kadenzen eine elementare Affinität zu Tonarten über akkordische Mengenbrücken.
Über den Sinn eines Werkes entscheidet unwiderruflich die Umgebung. Erst die Qualität der Unhüllenden vermag es dem Raumbeobachter erlauben, Konturen aus seinem Geflecht in die Feder erkennender Geschichten zu diktieren. So ist etwa die Primzahl an sich von einem Unsinn charakterisiert, da ihr jegliche Verbindung zu anderen, kleineren Zahlen, jede Art der Unterordnung fehlt; diesem Primverhalten, dem jeglicher Sinn für Eingliederung fehlt, liegen aber die schönsten Sinnigkeiten und ausgeklügeltesten Zusammenhänge der Zahlenlehre über. Und so vielmehr thront sich eine Sinngewalt dem Prachtvollen, über dem Durcheinander von Unsinnigkeiten, eine Umgebung hierfür zu beschreiben.



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Erkenntnis heißen wir zu oft jene Aussagen, die folgerichtig sind, doch ach, Aussagen sind nur Prädikate ohne freie Variable, Prädikate aber sind abzählbare Korrelationen von Einzelheiten. Nun aber vermögen wir es mit Hilfe unserer (und sei's drum: auch mit einer fremden) Logik, neue Prädikate als logische Verknüpfung von Prädikaten folgern zu wollen. Eine Sprache wird nun vielmehr signifikant bestimmt durch unser Alphabet, wahrlich begrenzt und schlussfolgernd endlich, eine begrenzte Prädikatenmenge und eine endliche Funktionenmenge, was aber die formale Sprache selbst durchaus nicht a priori endlich werden lässt. Wenn wir nun die Methode des Komponierens in einer Sprachimplementierung gestalten wollen, kommt es gar dem Rechnen gleich. Die rechengestützte Kompositionsidee wird dann unser Gemüt nicht mit umstürzlerischen Ausschweifungen verwöhnen können, kommt doch die Anweisung nur aus unserem eigenen Sachhaushalt, vielmehr finden sich die konservativen Kompositionsvorstellungen wieder mit umstürzlerischen Methoden, da umstürzlerisch all das ist, was den Menschen nahen möchte, auf das formale Agieren nach der Freiheit, die unseren Befehlen gehorchen muss.



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Nein, der cantus firmus an sich ist nicht, immer gehört die Pflicht einem Stil an, und eigentlich vertritt jeder cantus firmus seine eigene Gesetzespflicht. Doch steht unser Bedürfnis ja seit unserer Übereinkunft in der Abstraktion und Vernachlässigung von jenen Feinsinnigkeiten, die wir unwichtig im Sinne einer Maschine nennen. Sollten wir uns auf eine grobschlächtige Bestimmtheit eines Palestrinastils einigen, so wollen wir ihn betrachten wie das deutsche Versmaß, wobei sich das Wortgleichnis und deren Betonung verhält, wie wir darüber unzählige Male widerstritten.
1. Ein Vers wie unser cantus firmus kann immer nur eine Hebung haben.
2. Hebungen und Senkungen wechseln sich ab.
3. Sagt das Versmaß: In der Hebung stehen nur schwere Silben, so sagt unser cantus firmus: Der Höhepunkt muss in Konsonanz erreicht werden.
4. Sagt das Versmaß: Die Hebung ist immer einsilbig, so sagt unser cantus firmus: Der Höhepunkt darf keine Wiederholung in den Noten finden.
Nun, die einzelnen Bedingungen sind wohl bekannt, und ich zweifle nicht daran, dass ein schneller Weg gefunden wird, die Maschine die Konstruktion eines cantus firmus im grobschlächtigen Stil wie besprochen zu lehren.
Gehe fleißig an die Arbeit und lass mich bald die Ergebnisse hören.

 


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Fanden wir die Syntax von Melodie- und Tonartstruktur, auf deren Leiter steigend sich die Befehlssätze eines cantus firmus leicht in Folgeschritte fassen: Wir taten dieses, worüber ich berichte. Ergab sich der Befehlsaufbau, vom Grundton jeden Folgeton aus neu zu wählen unter dem Verbot der dir bekannten Regeln, die jeder Musikschüler lernt, der einen Lehrer hat.
Beachtet werden muss nur allein zur Wahl der Reihe der Folgetöne das Ziel: der Höhepunkt und auch der Schluss, und Höhepunkt und Schluss in enger Verbindung. Diesen inneren Zusammenhang zu formulieren, bedurfte nun die Art von Eingebung, die auch dem Komponieren selber innewohnt, wohlan zur Arbeit an die Formalismen, ist dieses gleicher Mühe - oder eher mehr - wir an diversen Kompositionen eigenhändig kritzeln, die nach getaner Mühe und Arbeit späterhin unsere Maschine übernehmen wird. Nach den wohlbekannten Regeln wollen wir das Satzschreiben über einer Singstimme beginnen.



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Das Fragen ist eine Frömmigkeit des Denkens, doch leider auch so brav, ohne Hoffnung auf Ergebnis.
Wir wollen einer auserwählten Syntax das Fußen auf einer boolschen Algebra unterstellen, denn wir wollen vom Erfahrungssatz ausgehen, dass eine formale Theorie boolsch konstruiert werden kann. Vielmehr verbirgt sich denn wohl dahinter der Ansatz, ein Objekt sei eine Verzweigung von Zugriffspunkten, wobei es für jedes Objekt einen Globalzugriff gibt und jeder Zugriffspunkt einem Unterobjekt entspricht. Ein Prädikat ist dann ein Polygon von Objekten, wobei das Prädikat in der Hülle der boolschen Algebra liegen muss und folglich durch die auserwählte Syntax beschrieben werden soll. Nutzbar wird ein Prädikatenkalkül erst in der Spezifizierung der Anwendungsgebiete, die in unserem Fall sich auf die formale Theorie, auf unser musikalisches System bezieht.
Obschon sich eine Semantik der Objekte nur über die Prädikate definiert, ist die Strukturierung der Objektmengen ontologisch primär, das heißt: Je geschickter die Objektdefinition, desto sinnvoller die Prädikatenkonstruktion.
Für die Arbeit mit der Struktur der Note, dass die MuSys - Prädikatenanwendungen der Werte der Noten als Restklassengruppe der Ordnung 12 genau dann handhabt, wenn die entsprechenden Werte als Strukturkomponente der Note gerade ungleich der Pause als 13-ten Notenwert ist, identifizieren wir natürlicherweise die enharmonische Verwechslung. Eine monophone zeitliche Abfolge wird durch die eindeutige Längenangabe der Notenelemente auf eindeutige Weise implementiert, was die Interpretation der rationalen Längenkomponente der Struktur Note als zeitlichen Abstand erlaubt, Bedingung dessen jedoch immer, dass ein Nullelement, als Pause bezeichnet, gleichberechtigter Notenidentifikationswert im Kalkül Berücksichtigung findet.



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Die Aufnahme der musikalischen Bausteine Tonart und Akkord ins MuSys - Kalkül geschah je in der Definition zweier korrelierender Datentypen, wobei einer die Positionierung der Objekte, der andere die Intendanz der Bestandteile beschreibt, wobei dieser Ansatz in die Isotropie der Musik aufzugehen verpflichtet ist.
Der abendländische Tonartbegriff translatiert in die Korrelation der Datenelemente Tonart und Tonartgeschlecht. Das Datenelement Tonart beinhaltet die Komponenten des Grundtones, des Geschlechtes in Form eines Verweises auf den Typ Tonartgeschlecht, der aus einer wohldefinierten Anzahl sinnreich zu besetzender Feldeinträgen besteht, und einer rationalen Zeitkomponente, die weislich auf die praktikable Arbeitsweise innerhalb eines Werkes werkspezifisch zu besetzen ist, was die Tonart von der globalen werksinvarianten Interpretation ins werkspezifische translatiert. Die Feldeinträge des Tonartgeschlechtes sind als Halbtonschritte entsprechend den Stilanforderungen zu interpretieren, folglich die Tonartkomponente Grundton frei ist und erst durch ein konkretes Objekt vom Typ Tonart spezifiziert wird, dieser immer als nulltes Element der Tonart aufzufassen ist, so dass keine grundtonlose Tonart zugelassen wird. Das Werkspezifische als Ziel beschreibt der Datentyp Tonartfolge, die Implementation einer zeitlichen Abfolge von Tonarten, ganz ähnlich wie wir dieses auch schon für die Notenfolgen als Ketten beschrieben hatten. So ergeben sich in gleicher Weise wie die Vorbilder der Notenfolgen-Prädikate also die Werkzeuge auch für diese Datentypen der Tonarten. Folgerichtig erahnen Sie bereits die nächsten Instruktionen für die Akkordfolgen.
Eilen Sie in der Ihnen eigenen Gründlichkeit, die ich geduldig ertragen werde.



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Der Motivbegriff unter MuSys wurde sehr allgemein gefasst: das tonale Motiv, eine Akkordfiguration, selbst auch eine skalierte Phrase einschließend. Insofern muss natürlich vorerst der Begriff Skalen geklärt werden, doch dazu später.
Wie schon die Notenfolgen, Akkordfolgen, überhaupt alle zeitstrengen musikalischen Einheiten, wird auch die Motivstruktur in Vorbereitung einer entsprechenden Motivfolge mit den frei zu besetzenden Zeigern auf Vorgänger und Nachfolger ausgestattet, neben den das Motiv charakterisierenden Elementen der Motivart, Motivbezüglichkeit (Tonart, Akkord, Skale o.ä.) und natürlich der eigentlichen Abfolge der Tonschritte, ähnlich den Elementen einer Notenfolge. Eine Skale ist dabei sehr großzügig als Halbtonschrittmuster über einem Akkordidentifikator definiert.
Bitte beachten Sie, dass die Übergabe eines Nullzeigers beim Arbeiten mit den Kettenstrukturen immer auf eventuelle Endpunkte hinweist, die damit eine Prozedur leicht beschließen lässt.
Für die Behandlung allgemeiner Entwicklungen wird das Instrumentarium der Phrasen zur Verfügung gestellt, wobei eine Phrase eine Abfolge von zeitstrengen Ereignissen ist. Die Handhabe der Ereignisse muss von jener der Noten grundsätzlich unterschieden werden: Außer der fehlenden Unterteilung in Identifikations- und Oktavwert, was einen allgemeineren Gebrauch nach sich ziehen erlaubt, bezeichnet eine Strukturkomponente den Beginn des Ereignisses, hingegen die Noten in der Notenfolge gemäß geometrischem Ansatze nicht durch den Beginn, sondern eindeutig durch die Nachfolge nach dem Vorgänger und der ihr eigenen Dauer hinreichend Auskunft gibt.



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Es wurde eine Konstruktion ersonnen, Platz im 19 Zoll Format findend, die ein Rechenwerk beinhaltet mit eigenem System betrieblicher Struktur, die es ermöglichen will, nahezu alle notwendigen musikalischen Standardroutinen in Ausführung bringen zu können. Darauf erbaut sich eine Prädikatenbibliothek, die als allgemeine Spracherweiterung für formale Sprachen den Zugang zur musiktheoretisch algorithmischen Semantik eröffnet, was die Kreation im syntaktischen Umfeld dem Inhalt unterwirft.
Die Einteilung in Über- und Unterfunktionen teilt die musikalische Kreation in formale Arbeitsschritte. Jeder Arbeitsschritt verarbeitet eine musikalische Ausgangssituation, deren tonale und harmonische Analyse die resultierenden Strukturparameter und Elementarinformationen dann einer Modulation und Variation zufällig, jedoch nicht willkürlich unterwirft und letztlich als Endsituation transformiert.
Die Verarbeitung einer musikalischen Ausgangssituation vollzieht sich nach Formalismen, die von Fall zu Fall tonaler oder harmonischer Natur, dem Zufall mehr oder minder unterworfen und auch in ihrer analytischen Verarbeitung ganz unterschiedliche Elementarstrukturen besitzen. Die Ergebnisse der Formalismen, die in ihrer Gesamtheit einen Algorithmus gestalten, sind entweder selbst wieder Ausgangssituationen eines anderen Formalismusgeschehens oder aber ein Teilergebnis.
Die musikalische Maschine wird vorgestellt als Menge semantischer Operatoren mit vorausgesetzter Begrifflichkeit: Gegeben sei eine Menge von Objekten; jedem Objekt ist eine endliche ganzzahlige Größe zugewiesen. Ein Ordinatbereich sei eine Teilmenge unserer Zahlenvorstellung, die Kardinalzahl der Ordinatbereiche sei abzählbar und abschätzbar. Ein Objekt hat an Zuständen dann abzählbare Vielfache der Größe des Objektes.
Die Menge der Objekte erzeuge definitiv eine diskrete Zustandsmannigfaltigkeit über alle Objekte, der Vielfachen der entsprechenden Größen der Objekte. Eine Teilmannigfaltigkeit summiert sich demnach über jene aus einer Teilmenge der Objektmenge erzeugten Zustände.
Ein semantischer Operator nun bezieht sich immer auf eine Teilmannigfaltigkeit, die somit existieren muss und die als Argument den semantischen Operator verlangen wird.
Ausgegangen soll immer von einem aktuellen Punkt der Teilmannigfaltigkeit werden. Der semantische Operator liefert einen Zustandspunkt der Teilmannigfaltigkeit; jeder semantische Operator ist wieder syntaktische Prozedur.
Eine syntaktische Einbettung semantischer, operativer Schritte muss so beschaffen sein, dass Argumentübergaben der Objekte und deren Zustände formal sinnreich gewährleistet werden, das heißt, da die semantischen Operatoren keine Aussagen über die übergebene Objektmenge und die Teilmannigfaltigkeiten mit Standardwerten treffen können, muss eine formale Richtigkeit vorausgesetzt werden.
Der syntaktische Begriff Datentyp steht im unmittelbaren Zusammenhang mit den Objektbegriffen, die als syntaktische Variable eines Datentyps fungieren.
Sei eine endliche Menge von Datentypen, die je eine ganzzahlige Größe besitzen, gegeben. Jede geordnete Folge von Datentypen ist wieder ein "neuer" Datentyp, dessen Größe sich als Summe der Größen der enthaltenen Datentypen ergibt.
Ein semantischer Operator ist syntaktisch einzubetten, wenn jedem Objekt entsprechend ein Datentyp zugewiesen werden kann - oder anders: stehen syntaktisch nur Objekte definierter Datentypen zur Verfügung.

 


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Des Wesens treuer Diener, Untertan der Schönheit, will ich nach unseren Mühen mir doch den Mut zusammennehmen, des Namens Berechtigung forschen, was dem sei, was wir nun etliche Jahre uns aus dem Geist heraus bemühen. Nah erscheint es einer geodätischen Parallele zwischen den elementaren Punkten, doch ist wahrlich die Geometrie in ihren Methoden aufs strengste vollendet durch Hypatia und Euklid.
Abstrahieren wir aber von der Feinstofflichkeit ins Punktuelle, so gleicht unsere Analyse keiner Disziplin besser denn der Alchimie.
Nach dem Stein der Weisen unter allen Kieseln zu forschen, aus stumpfen Metallen edle im Umzugießen zu gewinnen, die anziehende Kraft auf fallendes Wasser in ein perpetuum mobile umzulenken, unterscheidet es sich von unserem Wunsche? Wohl möchte ich es lautstark immer wieder und wieder rechtfertigen, doch finde ich keinen Hörer mehr. Wenn die Hörer uns aber entschwunden sind, so ist um die Musik kein Bemühen mehr.


Wir heben uns ab aus der Verständlichkeit und gelangen in das Reich des Unverständlichen, dessen der Mensch nicht Zugang erfährt. Und gestehen uns selbst dies nicht, bis wir nach vielen Jahren wieder zueinander kommen werden und uns freuen werden unserer Jugend unverständlichen Abstraktionen. So gibt es Einbrüche flackernder Töne.
Es soll uns nicht kümmern, dass man uns vergleicht, wir würden Energie aus dem Ozean ziehen wollen oder Metalle edel umschmelzen.

 


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