Der Gegenstand
Wenn sich diese Abhandlung mit alten Gitarren, Lauten, Fiedeln und deren Vorgängern
beschäftigen will, so steht die Frage nach dem Spektrum, dessen Einheit
und dessen Abgrenzung. Der Gegenstand sei bestimmt durch die Klasse derjenigen
Instrumente, die hier im einzelnen betrachtet werden. So sollen also die in
dieser Historie behandelten Instrumente Vertreter einer gemeinsamen Familie
sein. Was sie vereint, ist die Aufteilung ihres Körpers in Hals-Griffbrett,
Resonanzkörper und Besaitung. Bei den Streichinstrumenten beschränken
sich die Ausführungen auf das eigentliche Instrument. Die Entwicklung des
Streichbogens findet hier keine Beachtung.Da nun die großen, kleinen,
dicken und dünnen Saiteninstrumente der genannten Art so unter einen Hut
gebracht wurden, muss auch ein Sammelbegriff her. Dieser sei "Laute".
Bei der Verwendung des Begriffes Laute muss jedoch darauf hingewiesen werden,
dass hier nicht die Renaissancelaute und auch nicht Nachfolger der Renaissancelaute,
die oftmals einfach als Laute bezeichnet werden, gemeint sind, sondern der umfassende
Sammelbegriff.
Wie sich herausstellen wird, sind die frühen Fiedeln nichts anderes,
als gestrichene Lauten. Sie müssen sich erst von den Lauten trennen, sich
von der Lauten-Familie abspalten, um als eigene Familie zu existieren.
Beschrieben wird primär die bauliche Entwicklung der Instrumente. Die
Frage, welche Musik in der Vorzeit gespielt wurde, ist weitestgehend von Ungewissheit umgeben. Hier
kann allenfalls die Phantasie weiterhelfen. Doch soll darauf hier verzichtet
werden.
Befriedigende Informationen über die Lautenmusik sind uns erst zugänglich,
so eine Notation existierte, die uns heute noch verständlich ist. Dies
jedoch gilt erst für die Tabulaturen und Notationen, die sich im europäischen
Spätmittelalter herausbildeten. Jedoch bleibt hier ein Bezug darauf unberücksichtigt.
Ebenso gilt das für Fragestellungen nach Interpreten, Schulen o.ä.
Ort und Zeit
Das Hauptaugenmerk der folgenden Untersuchungen soll der europäischen Lautenentwicklung
gelten. Da jedoch der Alte Orient auf die europäische Kultur und speziell
auf die europäische Musik so fundamentalen Einfluss übte, gebührt
ihm unbedingt Aufmerksamkeit.Was aber umfasst den Orient, das Morgenland? Aus
inhaltlichen Gründen sei nicht nur der eigentliche (Süd-)Osten, sondern
auch das Niltal (Ägypten) und die nordafrikanischen Mittelmeergebiete einbezogen.
Andererseits sei der sogenannte Ferne Osten, jenseits des persischen Hochlandes,
aus der Betrachtung ausgeschlossen. Die Lautenentwicklung im Alten Orient wird
jedoch nicht detailliert behandelt. Es sei daran genüge, nur die globalen
und fundamentalen Etappen vorzustellen.
Auf welche Zeitspanne erstreckt sich die Untersuchung? Eine Instrumententwicklung
beginnt für die Geschichtsschreibung mit dem frühest datierten Dokument.Die
frühe Geschichte der Lauten endet in dieser Abhandlung, so sich in Europa
die Zünfte der Lauten- und Geigenbauer bilden (etwa 16.Jh.).
Quellenverzeichnis:
Eine Historie beschreibt das Wann und Wie einer Bewegung.
Hingegen bleibt eine Historie gegenstandslos, solange eine nähere Bestimmung der
Bewegungssubjekte fehlt. Eine Einigung über die Begriffe erst kann das Verständnis
eröffnen. Zwar wird hier die frühe Geschichte der Lautenfamilie vorgestellt, aber die
ausgezeichneten Vertreter der Laute, die da Spießlaute, Pandura, Ud, Tambur usw.
heißen, werden nur im Vergleich beschreiben, nicht aber näher definiert.
Es ist wohl nur schwer möglich, für die hier behandelten Begriffe eine exakte
Definition zu suchen, die alle Objekte zur Auswahl antreten lässt, um a priori
ihre Zugehörigkeit zu ermessen. Vielmehr ist es sinnvoll mit einer typoralen Begriffsdefinition
zu arbeiten, die beispielhafte Vertreter (Prototypen) auszeichnet, um mit allgemeinen
Kriterien des Vergleiches a posteriori andere Objekte in den Begriff zu betten,
oder eben nicht. Auch schon zu Beginn der Abhandlung wird auf eine exakte Definition
der allgemeinen Familie Laute verzichtet.
Hauptsächlicher Grund dafür sind zwei Probleme:
1. Problem der Grenzfälle,
2. Problem der Vielfalt bzw. der ungewollten oder zu nachlässigen Beschränktheit.
So ist es allemal besser mit Prototypen den Begriff zu fassen und auf Kriterien
der "guten" Vergleiche, die in unserem Fall auf natürliche Art dem menschlichen
Urteil zugestanden werden, zu bauen.
Die erste Laute
Die Frage, wann und wo die erste Laute erfunden, gebaut oder
entwickelt wurde, ist schier unbeantwortbar. Ebenso gilt das für Saiteninstrumente
überhaupt. Weitläufig wird die Lautenentstehung mit der Theorie des
modulierten Jagdbogens befriedigt. Der Jagdbogen wäre zuerst. Dann entdeckte
jemand beim Zupfen des gespannten Bogens die Klangerzeugung. Der Jagdbogen wurde
zu einer "primitiven Harfe" umfunktioniert. Entweder durch das Zufügen
einer zweiten (Darm-)Saite, oder durch das In-Verbindung-Bringen mit einem Resonator
erfand man, so die Theorie, die Vorgänger der Harfe, der Leier und der
Laute. Diese Theorie ist jedoch sehr fragwürdig. Ein primitives Saiteninstrument
benötigt kein gleichmäßig starkes, biegsames Holz, um etwa einen
Pfeil gezielt abzuschießen. Es genügen irgend zwei arretierte Punkte.
Zudem ist der Jagdbogen erst funktional, wenn er groß ist. Die Tonerzeugung
einer schwingenden Saite ist offensichtlich.
Das Spielen und Experimentieren aber dem Menschen, ja der Natur überhaupt
eigen; auch ein musikalisches Gefühl. Warum sollte also die Benutzung einer
gespannten Saite zum Musizieren nicht vor der Pfeilabschussfunktion bekannt
gewesen sein? Eilt die Erfindung modernerer Produktionsmittel dem Musischen
voraus?
Die bislang ältesten Hinweise auf eine Laute überhaupt, die den Archäologen
sogleich als älteste Nachweise dienen, stammen aus Mesopotamien
der (semitischen) Akkadherrschaft (2350-2170 v.u.Z.). Soweit die Reliefdarstellungen
erkennen lassen, handelt es sich um 2-saitige Langhalslauten mit sehr kleinen
Resonatoren (siehe Quellenverzeichnis). Vielmehr kann man den Darstellungen nicht
entnehmen. Vor diesen ersten Lautenhinweisen gab es in sumerischer Zeit bereits
Harfen und Leiern. Das Musizieren auf Saiteninstrumenten scheint demnach bereits
einigen Vorlauf gehabt zu haben.
Die Laute im Alten Orient
Die Laute tritt im Alten Orient drei als fundamental zu bezeichnende Siegeszüge
an.
Der Siegeszug der Spießlaute
Etwa aus der Zeit der ersten babylonischen Dynastie
(1894-1595 v.u.Z.) fanden sich dann des öfteren Darstellungen, auf denen
meist nackte Männer häufig beim Marschieren Langhalslauten mit kleinen
runden Resonatoren spielen. Der Aufbau war einfach, ein langer Hals - ein Stab
- und ein kleiner rundlicher Resonator. Zwei Darmsaiten wurden oben und unten
angeknüpft, der Hals diente gleichzeitig als Griffbrett.
In Ägypten tauchte die Laute seit spätestens der XVIII. Dynastie (1551-1305
v.u.Z.) auf. Noch aus dem Mittleren Reich Ägyptens fehlten jegliche Anhaltspunkte.
Das Neue Reich hingegen hinterließ nicht nur zahlenmäßig viele,
sondern auch inhaltlich aufschlussreiche Hinweise der Nachwelt.Zur Konstruktion
dieser Lauten. Ein kleiner hohler Resonator war mit einem Tierfell bezogen, durch
welches ein Stab (Hals) durchgespießt wurde. Am Hals, der unten über
den Schallkörper ragte, wurden die meist 2 selten 3 Saiten angeknüpft,
oben um das Halsende gewunden und festgezurrt, so dass die Saitenenden einfach
herunterhingen. Der Steg stand auswechselbar auf dem Tierfell, der Hals diente
als Griffbrett.So erfasst der Siegeszug dieser Spießlaute Ägypten,
wo der Instrumentenneuling eine außerordentliche Popularität erlangte.
Es bildeten sich alsbald zwei ägyptische Standardformen heraus.Die erste
Standardform benutzte einen Schildkrötenpanzer als Resonator, der mit rotgefärbtem
Pergament bezogen war. Ein erhaltenes Exemplar misst eine Länge von 62 cm
(siehe Quellenverzeichnis). Frauen begleiteten sich auf der Schildkrötenlaute
zum Tanz oder spielten im Orchester mit anderen Instrumenten.Der Korpus der zweiten
Standardspießlaute Ägyptens war langgestreckt, mandelförmig und
hölzern. Der aus einem Stück geschnitzte Holzkorpus wirkt im Verhältnis
zur Gesamtlänge der Laute dennoch sehr klein. Man kann davon ausgehen, dass
diese Mandellauten samt sonders alle länger als 1m waren. Sie wurden oft
von Männern u.a. zur Gesangsbegleitung gespielt.Als Grabbeilage überdauerten
Darmsaiten von ca. 1mm Durchmesser die Zeit (siehe Quellenverzeichnis). Generell
wurden Holzplektren benutzt.Die pergamentene Decke wies in der Regel parallel
zur Saitenführung zwei Reihen von je drei kleinen Schallöchern auf.
Die am oberen Halsende herunterhängenden Saitenenden wurden gelegentlich
mit Trotteln verziert.
Die Spießlaute verbreitete sich seit Mitte des 2. Jahrtausend nahezu im
gesamten Orient in unterschiedlichsten Größen und Formen. Kassitische
Lauten (Mesopotamien 14. Jh. v.u.Z.) z.B. hatten einen eckigen Schallkörper,
der einem abgerundeten Kasten ähnelte. Eine hethitische Spießlautendarstellung
deutet eine Korpustaille an. Allen war die primitive Saitenbefestigung, die pergamentene
Decke, der auswechselbare Steg und die Hals-Korpustrennung gemein. Es gab grundsätzlich
zwei Varianten der Halsbefestigung. Entweder wurde er durch die Decke gefädelt,
oder durch den Korpus gespießt.Die Ausbreitung der Spießlaute war
vielfältig, durch die Varianten des innerorientalischen Kulturaustausches
begünstigt.
Das Spektrum reicht da vom Handel, friedlichen Kontakten und Reisen, bis hin
zu Kriegen, Völkerwanderungen, ja sogar Zwangsumsiedlungen ganzer Völkerschaften.
Über viele dieser Wege, die hier nicht im einzelnen behandelt werden sollen,
vollzog sich der Siegeszug der Spießlaute.
Der Siegeszug der Pandura
In oder nach dem 6. Jahrhundert v.u.Z. etablierte sich eine neue Laute, die Pandura,
die eine neue Etappe der Instrumentenentwicklung einleitete. Die fundamentale
Neuerung an dieser Pandura ist, dass ihr Hals entweder starr am Korpus befestigt
war, oder direkt in ihn über ging, also Hals und Korpus aus einem
Stück gefertigt wurden. Des weiteren wurden zum Befestigen und Spannen der
Saiten Wirbel benutzt. Diese Wirbel, hölzerne runde Stifte, an einem Ende
eine daumenbreite Abplattung, saßen festdrehbar in oberhalb des Griffbretts
befindlichen Löchern.Als sekundäres Merkmal der Pandura erweist sich
die grazilere Form. Der Hals ist oft nicht länger als der Resonator.
Prototypen, die noch heute sehr verbreitet sind, besaßen und besitzen
drei bis vier Saiten. Wann und wo der Siegeszug der Pandura begann, ist spekulativ,
da sich archäologische Anhaltspunkte aus dieser Zeit zu diesem Thema rar
machen. Behauptung: Das Pandurainstrument kristallisierte sich im achämenidischen
Weltreich der Perser (550-331 v.u.Z.) heraus. Hatten im Assyrischen Reich (Mesopotamien
bis etwa 612 v.u.Z.) die bis zu zwanzigsaitigen Bogenharfen eine unangefochtene
Vorrangstellung, so ist diese in seleukidischer Zeit (323-140 v.u.Z.) in Vorderasien
durch die Beliebtheit der Pandura negiert. Für diese Behauptung steht,
dass aus früherer Zeit keine diesbezüglichen Darstellungen bekannt
sind, spätestens aber seit dem 3. Jahrhundert v.u.Z. Panduradarstellungen
in vielen von den Persern besetzten oder benachbarten Gebieten auftauchen. Ihr
Reich erstreckte sich von Zentralasien bis ans Ägäische Meer. Bereits
aus dem 4. Jahrhundert v.u.Z. z.B. zeigen Statuen aus dem bis dahin lautenlosen
Griechenland Prototypen von Panduren (siehe Quellenverzeichnis /europäische
Pandura).Eine entsprechende aus Afrasiab (Mittelasien), wie Griechenland mit
dem Perserreich konfrontiert, ist auf das 4.-3. Jahrhundert v.u.Z. datiert (siehe
Quellenverzeichnis). Deutlich zeigt sie die starre Verbindung von Hals und Korpus.
Obschon es im Prinzip keine direkten Nachweise von Panduren der Achämeniden
gibt, spricht jedoch auch die Tatsache, dass in anderen Gebieten des Orients
auch bei anderen Saiteninstrumenten wie Leiern, Harfen, Hackbrettern u.ä.
Wirbelbefestigungen unbekannt bleiben, diese erst von den Panduren übernommen
wurden, und zwar nach dem 4. Jahrhundert v.u.Z., für die oben genannte
Behauptung.Folglich begann der Siegeszug der Pandura im ersten Perserreich,
erstreckte sich bald über den gesamten Orient.
Prototypen der Pandura sind vielfältig in ihrer Korpusform, runde, halbzylindrige
oder eckige Resonatoren mit kontinuierlichem oder abruptem Halsansatz. Die Spannung
der Saiten, die oben am Hals und unten am Korpus Halt fanden, stellte gerade für
diese Hals-Korpusverbindungen besondere Ansprüche. Dies scheint auch der
hauptsächliche Grund dafür zu sein, dass die Panduren im Verhältnis
zu den Spießlauten kleiner bzw. kürzer sind. Vorzüglich war die
Decke ein dünnes Holzbrettchen. Eine solches auf den Resonatorboden aufgeleimtes
Holz ermöglichte die Benutzung eines Querriegels, der seinerseits auf die
Decke geleimt wurde. In einem solchen Querriegel vereinte sich Steg und Saitenhalterung.
Jedoch nicht alle Panduren hatten solchen Querriegel. Wenn Resonanzkörper
und Hals aus einem Stück geschnitzt waren, konnte bei längeren Exemplaren
gelegentlich der Hals aus zwei Teilen zusammengefügt sein. Die Wirbel, generell
aus Holz, waren nicht nur einfache Stifte, mit denen die Saiten festgesteckt wurden,
sondern sie dienten vor allem dem Stimmen der Saiten und mussten demnach drehbar
gelagert sein. Die Saitenenden wurden um die Wirbel, die ja nur zur Hälfte
in dem verlängerten Hals staken, gewickelt. Damit war es jederzeit möglich,
die Saitenspannung zu verändern, oder zu korrigieren.Bei den für gewöhnlich
benutzten Flankenwirbeln befanden sich die Windungen stets außerhalb, also
seitlich des Halses bzw. der Wirbelhalterung, nicht innerhalb eines Kastens. Insofern
kann noch nicht von einer geschlossenen Wirbelmechanik gesprochen werden.
Einen besonderen Typ der Pandura stellen Kerblauten aus dem koptischen Ägypten
(5.-8. Jh. u.Z.) dar. Diese wahrscheinlich von christlichen Mönchen gefertigten
Instrumente besaßen kleine schlanke Resonatoren. Zum Halsansatz verjüngten
sich diese in Form einer breiten Ringkerbe. Etwa zur halben Länge wiesen
die halbzylindrigen Schallkörper beidseitig nahezu halbkreisförmige
Einkerbungen auf (siehe Quellenverzeichnis). Diese Kerben verleihen den koptischen
Panduren eine künstliche Taille.Diese koptischen Kerbpanduren gelten bislang
als die ersten Lauten, deren spontane Einschnürung, gekantete Taillierung
des Schallkörpers, ein bewusstes Anliegen der Instrumentenbauer war.
Der Siegeszug der Ud
Die Stellung der bauchigen Kurzhalslaute in vorislamischer Zeit ist unklar.
Einige glauben sie als Importe aus dem Fernen Osten, andere als seltene Abarten
von vorderasiatischen Panduren, die den populären Prototypen gegenüberstanden.
Die Quellen (siehe Quellenverzeichnis) scheinen für ein indisches Vorbild
der großen bauchigen Laute zu sprechen. Der kurze Hals ist eine Konsequenz
des länger gewordenen Resonators. Seit dem 6. Jahrhundert u.Z., gewann sie
im sassanidischen Iran an Bedeutung. Die wenigen Hinweise künden doch von
einer neuen Qualität des Lautenbaues. Unberücksichtigt bleibt hier,
ob diese vom indischen Musikleben importiert oder inspiriert, oder aber eine iranische
Entwicklung war.Hier etablierte sich die Ud - auch al-awd oder al-u'd. Die Ud
zeichnet ein großer, meist birnenförmiger Schallkörper, weiterhin
ein relativ kurzer Hals und ein nach hinten gezogener, gezimmerter Wirbelkasten
aus. Damit diente als Wirbelhalterung nicht mehr nur ein Stück verlängerter
Hals, sondern ein eigenständiges Teil, dessen Hauptfunktion eine vorteilhafte
Bedienung der Wirbelmechanik war, sich deutlich vom Hals absetzte. Geknickte Hälse,
wie auf den sassanidischen Silberschalen, sind in ihrer Deutung zweifellos als
Wirbelkästen interpretierbar (siehe Quellenverzeichnis). Solch Kasten wurde
extra gefertigt und dann an das Halsende angesetzt.Die Größe der bauchigen
Schallkörper erlauben es nicht, dass diese Resonatoren aus einem Stück
geschnitzt hätten sein können, sie wären zu instabil gewesen. So
waren sie mit Sicherheit aus verschiedenen Einzelteilen zusammengesetzt bzw. gezimmert.
Persien
wurde 651 u.Z. von den Arabern erobert und islamisiert. Am Anfang des 8. Jahrhundert
war nun der Islam, der im Grunde die bis dahin unterworfenen Kulturkreise des
Orients in sich aufnahm und in gewisser Hinsicht vereinheitlichte, bis an den
Atlantik und bis in die zentralasiatischen Steppen vorgedrungen. Mit ihm auch
diese bauchige Knickhalslaute mit dem breiten kurzen Hals.Somit begann der Siegeszug
der Ud im Iran des 6. Jahrhundert, und er wurde alsbald von der Ausbreitung des
Islams trotz seiner doch so widersprüchlichen Beziehung zur Musik nicht nur
begleitet, sondern auch getragen.
Die generell mit dem Plektrum gespielte Ud ist insgesamt größer als
z.B. die Pandura. Der gewölbte, bauchige Boden war aus gebogenen aneinandergefügten
Holzleisten bzw. Längsspänen geleimt. Am unteren Ende des Bodens,
an dem die Längsspäne sich meridianartig treffen, konnte zur Stabilisierung
ein Kanes angebracht werden. Ein solcher zusätzlicher Holzspan in Querrichtung,
der hauptsächlich haltgebende Funktion hatte, war oft auch ein Ziergut.
Konstruktionszeichnungen der Ud (siehe Quellenverzeichnis) z.B. besagen, dass
die Korpustiefe die halbe Korpusbreite erreichte. Die Decke, die bald länglich,
bald rund, immer aber von konvexem Charakter war, wurde mit allerlei phantasievollen
Schallöffnungen versehen.
Für die Schallöffnungen gab es drei bevorzugte Motive. Zum ersten
ist die klassische Rosette, ein gitterartiges Schnitzwerk, zu nennen, zum zweiten
geflammte Zierspalte, schmale Öffnungen, die in Längsrichtung unterschiedliche
Krümmungen vollziehen, und zum dritten die Querornamentik, perpendikular
zur Saitenführung und von rechteckigem Grundriss.
Die Prototypen der Ud besaßen 5 bis 7 Saiten. Später erhöhte
sich die Zahl, teilweise zugunsten der Doppelchörigkeit. Für die untere
Saitenbefestigung gab es zwei Varianten. Entweder wurde, wie schon bei einigen
Panduren, ein Querriegel auf die Decke geleimt, oder der Kanes, in solchen Fällen
über den Deckenrand hinausführend, nahm die Saitenhalterfunktion ein.
Dann musste ein Steg zusätzlich auf der Decke postiert werden.
Die
obere Saitenbefestigung ruhte, wie bereits erwähnt in einem Wirbelkasten
(Kopf). Durch die Seitenwände dieses Kastens wurden die Wirbel gesteckt,
im Inneren die Saitenenden um die Wirbel gewickelt. Diese begünstigen einerseits
eine Vergrößerung der Saitenzahl, andererseits auch eine tiefere Stimmung
bzw. eine Erweiterung des Tonumfanges in die tieferen Oktaven.Zwei Möglichkeiten
der Kopfform traten in Erscheinung. Der schlanke trapezförmige, im großen
Winkel angeknickte Kasten (Knickhals) war sicherlich immer gezimmert. Nicht unbedingt
dagegen der geschwungene, teilweise mit geschnitzten Motiven versehene, mitunter
nur leicht nach hinten gebogene Kopf.
Große arabische Gelehrte des Mittelalters, u.a. Avicenna (980-1037), beschrieben
die Ud. Von al-Farabi (87O-950) z.B. wird die Ud ( bei ihm hieß sie tunbur
hurasani) zum auserwählten Instrument nominiert, an welchem er den tonalen
Raum fixierte. Mittels einer Stimmungskorrektur (Berechnung der Bundabstände)
erkor er sie aus, sich von den heidnischen Instrumenten abzusetzen.
Die Laute in Europa
Import der Pandura
Die ersten Lauten, die in Europa Fuß fassen konnten, waren aus dem Orient
importierte Panduren. Zwei Abschnitte zeichnen sich für diesen frühen
Panduraimport als wesentlich ab.
In die Zeit, in der Alexander der Große (356-323 v.u.Z.) die Vorherrschaft
in Griechenland beanspruchte, fällt nun der erste Abschnitt des Imports der
Pandura. Sie wurde entweder von den Persern exportiert, deren achämenidisches
Weltreich bis an die Ägäis reichte, oder von den Perserfeldzügen
Alexanders von Makedonien mit heimgebracht. Ende des 4. Jahrhunderts jedenfalls
tauchten erstmals in Europa Lauten bzw. Panduren auf (siehe Quellenverzeichnis).Die
Einbeziehung dieser in das antike Musikleben vollzog sich jedoch nicht kanonisch.
Die griechische Ästhetik bis einschließlich Aristoteles verabsolutierte
die Harmonie als Erscheinungsform der Schönheit. Flöten, Harfen und
Leiern sind bevorzugt. Sowohl lautstarke als auch rhythmische Instrumente treten
eindeutig in den Hintergrund. Der Neuling musste sich stilistisch anpassen. Eine
Skulptur Ende 4. Jahrhundert v.u.Z. z.B., zeigt eine Panduraspielerin (die Muse
selbst?), die die Saiten mit den Fingern zupft (siehe Quellenverzeichnis); entgegen
wurden Panduren im Orient fast ausnahmslos mit dem Plektrum geschlagen. Im ersten
Abschnitt des Panduraimportes, von den Griechen getragen, wird das Instrument
unverändert übernommen, jedoch die Spielweise den klassischen Traditionen
des Musizierens angepasst.
Gerechterweise muss bei der Behandlung des ersten europäischen Lautenimports
eine bislang unbestätigte Möglichkeit offengehalten werden. Die Küste
der Iberischen Halbinsel hatte schon seit längerem Handelsbeziehungen mit
Nordafrika und wurde teilweise auch kolonialisiert. Ab etwa 654 v.u.Z. waren es
dann insbesondere die Karthager, die einen bedeutenden kulturellen Einfluss auf
große Teile Spaniens ausübten. In Nordafrika waren aber Lauten von
großer Beliebtheit. Sie könnten also durchaus über das westliche
Mittelmeertor viel früher, als bisher angenommen, nach Europa exportiert
worden sein. Hierzu fehlen derzeit allerdings Anhaltspunkte.
Der zweite Abschnitt des Imports der Pandura fällt in die Zeit und die politische
Situation der Expansion Roms, welches mit seiner konsequenten Militärpolitik
nahezu alles unterwarf, was in erreichbarer Nähe lag. In die römische
Kultur flossen die unterschiedlichsten nationalen Strömungen ein. So profitierte
auch die Musik von der territorialen Ausdehnung des Imperiums.
Nicht nur die Ausstrahlung z.B. der griechischen Musik des Hellenismus überflutete
die römische Republik, sondern aus vielen besetzten Gebieten wurden Instrumente
und Interpreten in die großen Städte des Imperiums
geholt.Das aus dem Syrischen Krieg zurückkommende Heer des Gnaeus Manlius
Vulso brachte eine ganze Legion von Saitenspielerinnen mit, die zusammen mit den
Siegern in Rom 187 v.u.Z. legendär Einzug hielten.
Der zweite Abschnitt des Import's der Pandura ist also der römische. Anders
als der erste, bei dem nur das Instrument übernommen wurde, führten
die Römer auch die fremdländische Stilistik ein, indem sie Musiker aus
aller Herrenländer in ihre Dienste stellten. So ist z.B. zu erklären,
dass die Plektrumspielweise vorherrschte.Der Tatsache, dass oft Sklaven als Lautenisten
bzw. als Musiker im Allgemeinen fungierten, ist es wahrscheinlich zu verdanken,
dass so wenig bildliche Quellen über das Instrumentarium und speziell die
römische Pandura existieren. Wer porträtierte schon einen Sklaven?In
der Kaiserzeit (30 v.u.Z. - 476 u.Z.) entsponnen sich wahre Wettstreite zwischen
den Bühnenkünstlern. Am "Kampf der Virtuosen" nahmen auch
Lautenisten teil, die sich im wesentlichen der importierten Originale bedienten.
Das aufkommende Christentum lehnte hingegen das öffentliche Musizieren so
gut wie generell ab. Instrumentales Spiel galt als närrisch und heidnisch.
Es scheint nur wenige Ausnahmen gegeben zu haben.
Auf christlichen Sarkophargen ab dem 3. Jahrhundert u.Z. wurden gelegentlich Frauen
dargestellt, die kleine Panduren halten bzw. spielen. Diese spätantiken oder
besser frühchristlichen Panduren hatten auffallend kleine Resonatoren und
vier parallellaufende Saiten, die oben mit knopfartigen Wirbeln befestigt wurden.
Sie galt bei Töchtern aus gutem Hause als Zeichen der musikalischen Bildung.
Das Erstaunlichste an dieser, wahrscheinlich sehr leisen Laute ist, dass die frühe
Christenheit sie, wie sonst kaum ein Instrument, akzeptierten; wohl aus dem Grund,
da die Pandura am wenigsten zu "heidnischen Zwecken missbraucht" wurde.
Ausbreitung der Tambur
Mit dem Zerfall des Imperiums, in der Zeit, die man mit der Völkerwanderung
(4. - 8.Jh.) identifiziert, bildeten sich neue gesellschaftliche Verhältnisse
heraus. In großen Teilen Europas zogen feudale Produktionsverhältnisse
ein.Die Westkirche baute von Rom aus ein eigenes hierarchisches Netzwerk auf,
welches mit der Christianisierung der nördlichen Teile zu einem Bollwerk
der politischen Macht wurde.
Demgegenüber etablierte sich der germanische und nordische Adel und entfaltete
eine auf einem ritterlichen Militär begründete Machtstruktur. Einigen
mächtigen Fürsten gelang eine Reichsgründung, wobei sie den Zentralismus
der römischen Kirche für die Organisation ihrer Herrschaft benutzen.
Im Zuge dessen vollzog sich eine Verflechtung des römischen und nordisch-germanischen
Kulturgutes. Insbesondere die karolingische Anlehnung an die italienische Kunst
blieb auch für die Musik nicht ohne Folgen. Der Süden hatte vorerst
hauptsächlich eine gebende Funktion, was die Musik als solches und natürlich
auch die Musikinstrumente anbetraf.Neben dem einfachen, nordischen Import der
antiken Panduren kristallisierte sich aber ein neuer, panduraähnlicher Typus
heraus, die Tambur, die nordische Variante der Pandura. Als ihre Wiege kann man
wohl das Frankenreich ansehen. Dort trifft man sie sehr bald in adligen, als auch
in kirchlichen Kreisen. Immerhin wurde König David oft als ein Tamburspieler
dargestellt. Die Tambur galt im wesentlichen als ein typisches Instrument des
Ritterstandes, und dies über einen langen Zeitraum. Ein Prototyp dieser Tambur,
ein Instrument mit langem Hals, ist auf den Illustrationen des Utrechter Psalters
von 830/820 u.Z. dargestellt (siehe Quellenverzeichnis). Diese offensichtlich
kräftig gebaute Laute besitzt einen spatenförmigen Korpus, der sich
zum Hals hin stark ansetzt. Auch durch andere Quellen dieser Zeit ist die Tambur
belegt als eine mitunter große, robuste, panduraähnliche Langhalslaute.
Wahrscheinlich war sie ein ausgesprochenes Männerinstrument. Die 3 bis 4,
selten mehr Saiten wurden meist mit dem Plektrum gespielt. Neben der spaten- bis
hufeisenförmigen, mitunter sogar kantigen Korpusform zeichnet sich noch eine
Besonderheit ab. Die Wirbel, die bei vielen antiken Panduren seitlich in dem verlängerten
Hals staken (Flankenwirbel), erhielten ein eigenes Terrain. Es ist zwar noch kein
Wirbelkasten, aber immerhin schon ein Kopf. Der Hals mündet am oberen Ende
in einem Plateau, welches den Sagittalwirbeln ihren Platz bietet.Als ein Spezialfall
dieser Wirbelplattform besaßen einige Tamburen einen regelrechten Hammerkopf
(siehe Quellenverzeichnis). Eine Interpretation dieses Hammerkopfes ist nicht
ganz eindeutig. War bei diesen Lauten die Wirbelanordnung quer zur Saitenführung?
Die unterschiedlichsten Korpusformen treten im Laufe der Zeit in Erscheinung.
Man kann aber davon ausgehen, dass meist auf eine geschnitzte bzw. ausgehöhlte
Resonanzschale ein dünnes Deckenbrettchen geleimt wurde. Es gab auch Tamburen
mit tailliertem (8-förmigem) Resonator, wobei die obere Hälfte der "8"
mitunter eckig bleibt. Als solche bildeten diese Instrumente wahrscheinlich einen
der wesentlichen Ansatzpunkt für die spätere Herausbildung der Gitarre.
Symbiose von Leier und Laute
Quellen, die das Auftreten der Laute vor oder aus der Zeit der Völkerwanderung
in den Gebieten nördlich der Alpen belegen, sind nicht bekannt. Wohl aber
gab es Saiteninstrumente. Die alemanische Leier (siehe Quellenverzeichnis) z.B.
war ein kräftiges, hölzernes, im wesentlichen aus einem Stück geschnitztes
Leierinstrument mit starken, fast parallelen Jocharmen. Als Decke diente ein dünnes
Holzbrettchen. Zwar hatte sie nur wenig Saiten und, in Ermangelung eines Griffbretts,
einen sehr beschränkten Tonumfang, im Verhältnis dazu aber einen ausgesprochen
großen Resonator. Aufgrund der guten Resonanz- und Flagelettschwingungen
könnte man sie als einen Vorreiter der Borduninstrumente bezeichnen. Mit
der Ausbreitung der Tambur und ihres gegenseitigen Kontaktes entwickelt sich eine
Symbiose dieser beiden Instrumente, alemanische Leier (mitunter auch als Rotte
bezeichnet) und Tambur, die sich aber bald auf Lauten im allgemeinen überträgt.
Diese Symbiose zeigte Ergebnisse. Zum einen offenbart sich eine Instrumentengruppe
von zweideutiger Verwandtschaft. Entweder sind es modulierte Leiern, die ein Griffbrett
erhielten, oder Tamburen, deren Schallkörper bewusste Ansätze zu Jocharmen
zeigen. Gerade in westlichen Gebieten finden sich diese zahlreich, wobei die Funktion
der Jocharme - es gibt sogar Hinweise auf Griffbrettleiern mit nur einem Jocharm
- nicht geklärt ist. Als Saitenhalterung kommen sie nicht in Frage, auch
nicht für zusätzliche, ungegriffene Saiten. Allenfalls sinnvoll ist
die Interpretation als Vergrößerung des Resonatorraumes. Zum anderen
entwickelte sich im Ergebnis dieser Symbiose eine neue Qualität von Saiteninstrumenten,
die Borduninstrumente.
Neben den gegriffenen und mit der anderen Hand gezupften, geschlagenen oder gestrichenen
Saiten gesellte sich eine Anzahl passiver Saiten hinzu, deren Funktion es war,
bei einer entsprechenden Erregerfrequenz mitzuschwingen und damit den Klang auszufüllen
und zu bereichern. Gelegentlich hatten sie eine halbaktive Funktion, indem sie
vom Spieler bewusst in Erregung versetzt wurden.
Die Borduninstrumente, die nahezu alle Lauten-, Fiedel- etc. -familien bis in
die barocke Zeit unterwanderten, finden ihren Ursprung in der baulichen Verquickung
von Tambur und alemanischer Leier. Es gibt mithin generell zwei Möglichkeiten
der Befestigung der Bordunsaiten, die ja einen Mindestabstand von den Spielsaiten
haben müssen. Entweder wird vom Kopf des Halses eine externe, zusätzliche
Saitenbefestigung in gleicher Ebene angebracht, wobei der seitliche Ausläufer
den Hals natürlich stark belastet, oder ein zweiter Hals ohne Griffbrett,
eine Art Jocharm, übernimmt nach dem Vorbild der Leiern die Bordunsaitenhalterung.
Anfang und Aufstieg der Fiedel
Eins der immer noch offenen Probleme bezieht sich auf den Ursprung der Streichinstrumente.
Dabei bleibt zu klären, ob die Herkunft der Streichinstrumente im allgemeinen
mit der Herkunft der Fiedel identifiziert werden darf. Es existieren zahlreiche,
widersprüchliche Hypothesen darüber, woher die Initiative kam, die Laute
zu streichen. Keine aber scheint wirklich zu befriedigen. Bis etwa 900 u.Z. sind
überhaupt keine gesicherten Hinweise über Streichinstrumente bekannt.
Auf einer Apokalypsehandschrift (920-930 u.Z.) eines spanischen Klosters (siehe
Quellenverzeichnis) begegnen uns dann vier Musiker die senkrecht gehaltene Prototypen
der Panduren mit einem Bogen streichen. Andere spanische Quellen folgen. Nur Jahrzehnte
später tauchten Fiedeln mehrmals in Byzanz - obschon als solches nicht besonders
reich an Quellen mittelalterlichen Instrumentariums - auf. Die Behauptung, der
arabische Raum habe eine Mittlerrolle zwischen den beiden entferntesten Küsten
des Mittelmeeres geübt, ist bisher nicht belegt und muss auch stark angezweifelt
werden. In nur wenigen Jahren erobert sie die europäische Musiklandschaft.
Mitte des 11. Jahrhunderts sind die Fiedeln bis an die Nordsee und an den Dnepr
vorgedrungen. Generell wurden panduraähnliche, kleine, drei- bis viersaitige
Instrumente benutzt. Betrachtet man die Spielweise der frühen Fiedel, so
zeichnet sich Mitte des 11. Jahrhunderts eine Differenzierung ab.
Die sehr verbreiteten Pandurafiedeln, die, nicht mehr nur einfach gestrichene
Panduren, zwar panduraähnlich, aber dennoch von einer eigenen Spezifik, wurden
horizontal an Brust oder Schulter gestemmt. Diese Pandurafiedeln, besaßen
kleine rundliche, mitunter auch elliptisch bis ovale Schallkörper, die sich
zum Hals hin verjüngten, gelegentlich konisch in ihn übergingen, und
schmale Hälse. Pandurafiedeln waren die ersten Griffbrettinstrumente, die
nicht vor den Bauch gehalten und gespielt wurden, sondern in einer vom Körper
wegstrebenden Richtung an Brust oder Schulter.
Gebrauch fanden sie in nahezu allen Schichten der Gesellschaft. Ob bei fahrenden
Spielmännern, am Hofe , sogar in der westlichen Kirchenmusik fanden sie Aufnahme
(die orthodoxe Kirchenmusik verwehrte ja dem Instrumentarium generell den Einzug).
Spanien bzw. die nordwestliche Mittelmeerküste und Byzanz bilden zwei Ausgangspunkte
für deren Verbreitung. Für die Pandurafiedel spanischen Vorbilds ist
es typisch, dass die Saiten an einem Saitenhalter, der am unteren Korpusende der
Fiedel befestigt war, hinter dem beweglichen Steg angeknüpft wurden. Diese
Saitenaufhängung übertrug damit die Spannung auf den hinteren Teil des
Schallkörpers. Die Saiten verliefen im Grunde parallel. Bei der Pandurafiedel
byzantinischen Vorbilds gingen dagegen die Saiten strahlenförmig (fächerartig)
auseinander. Der Saitenhalter diente gleichzeitig als Steg und war auf der Decke
befestigt (geleimt). Somit hatte die Pandurafiedel byzantinischen Vorbilds eine
Querriegelbefestigung, so dass die Saitenspannung die Decke perpendikular belastete.
Eine Querriegelbefestigung schließt die Möglichkeit ein, dass mitunter
mehrere Saiten gleichzeitig zum Erklingen gebracht wurden. Neben der Fächeranordnung
der Saiten und deren Querriegelbefestigung ist für die Pandurafiedel byzantinischen
Vorbilds ein langer Streichbogen typisch. Auch benutzte sie vorzugsweise Flankenwirbel,
hingegen bei der Pandurafiedel spanischen Vorbilds nahezu ausnahmslos Sagittalwirbel
anzutreffen sind.
Die politische und kulturelle Verschmelzung der nationalen bzw. staatlichen Strukturen
in West- und Mitteleuropa zum einen, die gemeinsame kirchlich hierarchische Bindung
zum anderen wirkte sich auch auf die Musik gewissermaßen vereinheitlichend
aus. So gelang der Pandurafiedel spanischen Vorbilds ein west- und mitteleuropäisch
globaler Aufstieg. Ab der Jahrtausendwende ist sie wohl im gesamten katholischen
Einzugsgebiet in gleicher Art anzutreffen. Die Pandurafiedel byzantinischen Vorbilds
konnte es ihr im Osten Europas nicht gleich tun.
Die senkrechte Haltung von gestrichenen Lauten, wie sie bereits auf sehr frühen
Abbildungen zu sehen ist, verliert sich aber nicht mit der horizontalen Spielweise.
Die Rebec - ihre frühen Formen sind panduraähnlich - ist ein kleines,
senkrecht auf den Knien gestrichenes Griffbrettinstrument. Anfänglich vor
allem in Südeuropa, ist sie nach und nach aber bevorzugt in islamischen Gebieten
anzutreffen. Später wird sie gar für spezifisch orientalisch erklärt.
Dass aber die Herkunft der Rebec orientalisch oder arabisch ist, muss bislang
als unbegründete Spekulation zurückgewiesen werden. Vielmehr deuten
die Hinweise (siehe Quellenverzeichnis) auf einen südeuropäischen, wahrscheinlich
spanischen Ursprung der Rebec. Angemerkt sei aber, dass es diesbezüglich
nicht besonders viel orientalisches Quellenmaterial gibt. Der Korpus der Rebec
ist tropfenförmig, was der Haltung auf den Knien entgegenkommt. Dieser sehr
kleine Schallkörper hatte oft einen konischen Halsübergang. Die Rebec
existierte in zwei Grundformen. Die (west-)europäische Kniefiedel besaß
ein Wirbelbrett mit Sagittalwirbeln. Mit ihren 3 bis 4 Saiten unterschieden sich
die Prototypen nicht wesentlich von der Pandurafiedel spanischen Vorbilds. Die
arabische Rebec erhielt einen Wirbelkasten, der äquivalent dem der Ud entweder
geschwungen oder kastenförmig war. Die Prototypen besaßen zwei Doppelsaiten,
die mit kurzen Bögen angestrichen wurden. Gelegentlich wiesen sie eine Querriegelbefestigung
auf, was einen Kontakt mit den byzantinischen Fiedeln nicht ausschließt.
Die Saiten der arabischen Rebec wurden seit spätestens dem 13. Jahrhundert
nicht, wie bei den europäischen Fiedeln, mit den Fingerkuppen auf das Griffbrett
gedrückt, sondern mit den 2. oder 3. Gliedern der Finger. Damit entfällt
z.B. die Möglichkeit des Vibratos.
Im Nordwesten Europas gesellt sich der kleinen Schulterfiedel Anfang des 12. Jahrhunderts
eine neue Familie von Streichinstrumenten hinzu. Einige Zeichnungen und Plastiken
bzw. Reliefs geben zwar darüber Auskunft (siehe Quellenverzeichnis), jedoch
sind sie mitunter in expressionistischer Stilistik gefertigt, derart, dass es
nur schwer möglich ist, sich ein klares Bild darüber zu machen.Die insgesamt
größere Gambenfiedel wurde aufrecht zwischen den Knien gehalten, im
Gegensatz zur Rebec, die auf die Knie gestellt wurde. Die gespreizten Beine klemmen
das Instrument ein. Abgesehen davon, das der Schallkörper viel größer
als der der Pandurafiedel ist, zeigt er eine auffällige Besonderheit.
Zur Mitte hin besitzen die Resonatoren deutliche Taillen, ein bis zwei, selten
drei. Auf einer Portalplastik aus der Kathedrale Saint-Marie in Oloron (siehe
Quellenverzeichnis) ist der 8-förmige Korpus schier aus zwei sich berührenden
Kreisen zusammengesetzt. Dies gibt über Neuheit und Bedeutung der Taille
Auskunft. Diese Gambenfiedel war die erste europäische Lautenart, deren
Einkerbung bzw. Korpusverengung als ein definitives Kriterium die Familie auszeichnete.
Die 8-förmigen Tamburen z.B. waren im Grunde nur Ausnahmen, zumal deren
Taillen ohne funktionale Bedeutung waren. Die Einengungen des Gambenfiedelresonators
diente offensichtlich dem ungehinderten Bogenspiel. Die Funktionalität
der Taille zeichnet die neue Qualität. Es wäre zu vermuten, dass diese
8-förmige Gambenfiedel als Vorgänger oder historisches Muster der
Viola da gamba fungierte. Besaitung, deren Aufhängung, Hals und Mechanik
entsprechen bis auf die Größenrelation etwa dem der Pandurafiedeln
spanischen Vorbilds; die Stimmung der Gambenfiedel ist tiefer. Das Bogenspiel
als solches weist eine Eigenheit auf. Es scheint bei einigen Darstellungen,
dass die rechte Hand den Bogen nicht von oben auf die Saiten drückt, sondern
ihn von hinten heranzieht. Der Bogen wird also hinterständig gegriffen.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass diese Bogenhaltung sich auf die besonders
großen Gambenfiedeln beschränkt.
Import der Ud
Europa hatte bis zur Jahrtausendwende daran gearbeitet, eine stabile Staatengemeinschaft
zu konstituieren. Frankreich, nach der feudalen Zersplitterung in spätkarolingischer
Zeit, entwickelte seit der Königswahl Hugo Capets (987 u.Z ) wieder eine
zentralistische Machtstruktur. Das Deutsche Reich formierte sich mit Heinrich
(seit 919 u.Z.) und Otto (seit 936 u.Z.), der sich 962 zum Kaiser krönen
ließ und seitdem Italien in die Reichspolitik einbezog, zu einer geschlossenen
Militärmacht. Der Begründung des polnischen unter Mieszko (960-9992
u.Z.) und des ungarischen Staates unter Istvan (1000-1038 u.Z.) ging die späte
Christianisierung zur Hand.
Wladimir Swajatoslawitsch festigte mit der Einführung des (orthodoxen)
Christentums als Staatsreligion (988 u.Z.) die feudale Macht der Kiewa Rus,
so wie es Harald Blauzahn (935-985 u.Z.) in Dänemark (katholisch) tat.
Mit dieser gefestigten abendländischen Feudalordnung beginnt nun eine Etappe
der intensiven Auseinandersetzung mit dem Orient. Dabei gab es drei wesentliche
Kontaktpunkte.
Zum ersten wurde Byzanz, schon seit dem 8. Jahrhundert vom vorrückenden Islam
nicht nur militärisch attackiert, auch seinem kulturellen Einfluss unterlegen,
zunehmend von den türkischen Seldschuken bedrängt. Denen musste es zeitweise
große Teile Anatoliens abtreten. Byzanz diente als osteuropäischer
Brückenkopf des Orientkontaktes dieser Zeit. 1453 dann konnte das Türkenheer
Konstantinopel einnehmen, welches dem Ende des Byzantinischen Reiches gleichkam.
Zum zweiten diente Spanien als westeuropäischer Brückenkopf. Ab 711
von arabischen und berbischen Eroberern der islamischen Welt angegliedert, hielt
die maurische Kultur Einzug. Vom nördlichen Gebirge ausgehend entbrannte
ein vom christlichen, ehemals westgotischen Adel geführter, vom Katholizismus
unterstützter Kampf um die Rückgewinnung. Das Kalifat brach etwa ab
1010 zusammen. 1492 wurde der letzte islamische Herrscher vertrieben. Die maurische
Kultur, die auf der Iberischen Halbinsel bis dahin Fuß fassen konnte, öffnete
sich dem europäischen Westen.
Zum dritten versuchten die Ritterorden seit dem 1095 vom Papst Urban II. ausgerufenen
Kreuzzug, sich militärisch im Nahen Osten zu entfalten. Trotz der oftmals
erfolglosen Unternehmungen gelang es, zahlreiche kleine Kreuzfahrerstaaten am
Mittelmeer zu errichten. Zum einen waren die Ritter selbst Träger des Orientkontaktes
dieser Zeit, zum anderen die dadurch erstarkten Seehandelsstädte, insbesondere
Venedig und Genua.
Dies (Byzanz, Spanien und die Kreuzzüge) sind die drei bedeutendsten Brücken,
über die orientalisches Kulturgut ins europäische Hochmittelalter
getragen wurde. Dem Trend der Zeit gerecht, wurde die Ud, im Abendland oft auch
als Laud, Luth o.ä. bezeichnet, importiert. In Spanien findet man sie spätestens
im 13. Jahrhundert, auch in Palermo, im übrigen West- und Mitteleuropa
ab 1300 (siehe Quellenverzeichnis). Innerhalb kürzester Zeit erobert die
Ud das Musikleben im gesamten katholischen Gebiet. Sie wird zu einem Lieblingsinstrument,
insbesondere bei Hofe. Was die bildlichen Belege der Ud anbetrifft, so gibt
es nach 1300 einen außerordentlichen Boom. Förmlich aus dem Boden
schießen Motive von Udspielern. Dies kann als Indiz für die Geschwindigkeit,
mit der dieses Instrument Einzug hielt, gewertet werden, ohne dabei eine gewachsene
Anerkennung der Musiker durch die Gesellschaft gering schätzen zu wollen.
Es ist bislang nicht direkt belegt, ob die Ud auch in Byzanz beheimatet war,
doch ist es anzunehmen. Ein aus der Zeit der türkischen Eroberung abgefasster
altosmanischer Bericht (siehe Quellenverzeichnis/orientalische Ud)) enthält
eine Beschreibung einer typischen 72 cm langen Ud. Es könnte natürlich
sein, die Türken hätten die Ud erst in dieser Zeit (14./15.Jh.) nach
Kleinasien gebracht, jedoch unterschied sich die Musikkultur (ausgenommen die
religiöse) unter byzantinischer Herrschaft wenig von der unter seldschukischer.
Es scheint denkbar und wahrscheinlich, dass die nichtkirchlichen byzantinischen
Musiker sich auch des Instrumentariums der Nachbarländer bedienten, also
der Import der Ud schon vor der Zerschlagung des Byzantinischen Reiches sich
ereignete. So aber wie die Größe Byzanz in seiner späten Zeit
schwand, so schwand auch sein Einfluss auf Osteuropa. Der Import der Ud, der
für Byzanz also anzunehmen ist, trug sich nicht in die übrigen orthodoxen
Gebiete.
Für West- und Mitteleuropa hatte, wie erwähnt, der Import der Ud eine
große Tragweite. Er stützte sich vornehmlich auf die Kreuzritter,
den Herrscherwechsel in Spanien, auch in Sizilien, und den erstarkten Mittelmeerhandel.
Als Name für diese europäische l'Ud, Luth oder Laud o.ä. hat
sich der Begriff Renaissancelaute eingebürgert, obschon er Anlass zur Verwirrung
gibt. Abgesehen davon, dass weder die Musik als solche, noch die Instrumentenbaukunst
eine eigentliche Renaissance (Wiedergeburt) erlebt, so etwa wie dieser Begriff
kunsthistorisch zu verstehen ist, beschränkt sich auch die Blüte dieses
Instrumentes nicht auf diese Zeit der italienischen Renaissance. Vielmehr zeichnet
die Renaissancelaute eine nahezu ungetrübte Popularität von 1300 bis
wenigstens in die Zeit des Hochbarocks aus. Die definitiven Merkmale, der nach
hinten gezimmerte Wirbelkasten, der aus einzelnen Spänen zusammengesetzte
bauchige Muschelkorpus, der kurze breite Hals und die relativ große Saitenzahl
(siehe Siegeszug der Ud), blieben auch in späterer Zeit. Die Saiten wurden
an einem Querriegel mittels kleinen Stiften deckenständig festgekeilt.
Viele Prototypen besitzen 9 Saiten, die höchste ist solo, alle anderen
doppelchörig. Typisch für die orientalische Ud war die reiche Ornamentik,
die mitunter zahlreichen Rosetten, geflammte oder einfach geschwungene Schallöffnungen.
Die Renaissancelaute wirkt im Vergleich eher schlicht. Außer einigen frühen
Ausnahmen aus Spanien, welches wohl am meisten orientalisiert war, besaßen
nahezu alle Renaissancelauten nur eine Rosette, die die Funktion des Schalloches
übernahm. Nebenverzierungen verlieren jegliche Bedeutung. Die einzige Haupt-
oder Mittelrosette befand sich immer unter der Saitenführung zwischen Querriegelbefestigung
und Halsansatz. Die Renaissancelaute wurde entgegen ihrer orientalischen Verwandten
meist gezupft. Auffällig ist auch, dass sich recht häufig Frauen ihrer
bedienten.
Die Familie der Renaissancelaute zeichnet sich durch ein relativ einheitliches
Äußeres aus. Eine solche Formenvielfalt wie bei der orientalischen
Ud gibt es bei ihr nicht. Der präzise im rechten Winkel nach hinten geknickte
Wirbelkasten hat in der Draufsicht die Gestalt eines Trapezes. Er endet immer
streng, wie ein Kasten, ohne geschwungene Ausläufer, Schnecken o.ä.
Oder besser: Der Abschluss des aus Leisten gezimmerten Kastens ist parallel
zum Sattel, dem nullten Bund, über dem die Saiten im Winkel in die Wirbelmechanik
laufen. Die Längsleisten (Trapezschenkel) besitzen paarweis gegenüberliegende
Löcher, die den Wirbeln Halt bieten. Im Innenraum des Kastens winden sich
die Saitenenden um die drehbaren Wirbel. Der Hals ist starr am voluminösen
Muschelkorpus befestigt, wobei das Griffbrett auf der Decke weiter verläuft,
also Griffbrett und Hals nicht identisch enden. Der Resonatorboden ist aus schmalen
gebogenen Holzleisten zusammengefügt bzw. geleimt, sehr bauchig und passt
sich dem Umriss der Decke an. Für diesen Deckenumriss lässt sich eine
Entwicklung erkennen. Bis Ende des 15. Jahrhunderts nahm er in bunter Vielfalt
runde bis ovale Gestalt an. Allen Instrumenten dieses Zeitabschnittes ist der
betont konvexe Charakter der Decke gemein. Für die Renaissancelaute des
16. Jahrhunderts hat sich das Verhältnis von Korpuslänge und Korpusbreite
eindeutig zugunsten der Länge verändert. Sie entspricht nunmehr der
zwei- bis dreifachen Breite. Außerdem hat sich die Stelle der größten
Breite relativ weit nach hinten verlagert. Die Draufsicht des Resonators erscheint
wie eine am hinteren Ende abgeflachte Ovale, die am vorderen Ende hingegen spitz
zuläuft. Diese Ovale neigt dazu, sich in ein spitzwinkliges, horizontal
liegendes Dreieck einzuschmiegen. Die Saitenanzahl, die anfänglich 7 bis
9 betrug stieg teilweise sehr in die Höhe, zumal zusätzliche Resonanzsaiten
in Mode kamen. Solche Borduninstrumente der Renaissancelaute, die Theorben,
hatten Spielsaiten, die auf dem üblichen Griffbrett gegriffen wurden, und
Resonanzsaiten, die einzig den Klang voluminöser gestalten sollten, demzufolge
eine passive Funktion innehatten und folglich kein Griffbrett benötigten.
Für diese Bordunsaiten wurde mitunter ein zweiter Wirbelkasten seitlich
des eigentlichen und ein zweiter Querriegel angebracht.
Etablierung der Lira da braccio
Etwa synchron mit dem Import der Ud vollzog sich auch bei den Fiedeln ein Qualitätssprung.
Es war die ausgehende Zeit der Troubadoure und die Hochzeit des deutschen Minnesang,
da etablierte sich die Lira da braccio.Im 14. Jahrhundert verdrängte sie
in West- und Mitteleuropa beinahe vollständig die Pandurafiedeln. Bis ins
15. Jahrhundert zählt sie neben der Renaissancelaute zu den wichtigsten
und beliebtesten Instrumenten dieser Zeit. Diese Etablierung der Lira da braccio
war aber eigentlich nur eine Äußerung einer neuen Qualität der
Instrumentenbaukunst Europas. Inspiriert von dem gezimmerten Resonator der importierten
Ud, ging nun die Fertigung von Resonatoren generell zu deren Zimmerung über.
Nun findet aber ein gewölbter Boden auf der Schulter schlechten Halt. Diesem
Anspruch der Schulterhaltung gerecht werdend, kristallisierte sich die Lira
da braccio als ein Zargeninstrument. Decke und Boden sind parallel und meist
flach, insofern nicht oder nur wenig ausgearbeitet (gewölbt). Die Zarge,
also ein sich dem Deckengrundriss entsprechend gebogener Holzspan, verbindet
lotrecht Decke und Boden. Diese Lira da braccio ist sicher nicht das erste Zargeninstrument
überhaupt, aber die erste Laute - die Fiedeln zählen wir für
diese Zeit noch zu den Lauten - mit deutlich gezargtem Korpus, die eine entsprechende
Bedeutung erlangte. Diese Zarge ist noch ungeteilt, so dass der Oberbug ohne
Abgrenzung in den Unterbug übergeht. Prototypen der immer als Schulter
oder Brustfiedel horizontal gespielten Lira da braccio besitzen im Vergleich
zur Pandurafiedel einen größeren Korpus, der in der Draufsicht weniger
rund erscheint. Die hochgezogenen Schultern erinnern eher an einen Kasten. Gelegentlich
besitzt der Korpuskasten eine leichte Taillierung. Die Decke weist größtenteils
zugewandte C-Löcher auf. Die drei bis vier, selten mehr Saiten gehen von
einem gemeinsamen Saitenhalter aus. Der hölzerne Saitenhalter wurde mit
einem Stück Darm (Hängedarm) am Endknopf, an der Zarge aufgehangen.
Die Saiten münden in Sagittalwirbeln. Diese befinden sich in einem herz-,
blattförmigen oder runden Wirbelbrett.
Die Tatsache, dass Lira da braccio und Renaissancelaute sehr oft zusammen auftraten
(siehe Quellenverzeichnis), lässt die Frage aufkommen, warum wurde die Wirbelmechanik
der Renaissancelaute, die dem Wirbelbrett ja wesentliche Vorteile voraus hat,
nicht auf die Lira da braccio übertragen?
Herausbildung der Gitarre
Lange Zeit im Schatten der Renaissancelaute stand ein Instrument, welches sich
in der Hochzeit seines Konkurrenten herausbildete und in Folge dessen erst im
17. Jahrhundert zu einer gebührenden Popularität aufstieg - die Gitarre.
Sie ist bildlich ab dem 15. Jahrhundert belegt (siehe Quellenverzeichnis), jedoch
nur sporadisch, demnach relativ selten. Der Resonatorkasten der Gitarre besteht,
ähnlich dem der Lira da braccio, aus Decke, Boden und Zarge, wobei aber
erstens die Decke immer eben ist, nie auch nur leicht gewölbt, und zweitens
die Draufsicht immer und betont 8-förmig, oder besser semmelförmig.
Die Zarge muss der Taille folgend unterschiedliche Krümmungen vollziehen
und ist durchgehend gleichhoch.
Gewöhnlich besaß die Decke etwa auf Taillenhöhe ein relativ
großes, offenes Schalloch, seltener Rosetten oder auch C-Löcher.
Insgesamt war ihre äußere Erscheinung auffallend sparsam an Ziergut.
Die Längen von Resonanzkasten und Hals entsprachen etwa dem der Renaissancelaute.
Die Zargenhöhe und damit die Tiefe war hingegen kaum handbreit. Die Gitarre
besaß selten mehr als sechs oder sieben Saiten und wurde meist mit einem
Plektrum gespielt. Der relativ breite Hals mündete in einem Wirbelbrett.
Es gab für dieses Wirbelbrett zwei grundsätzliche, aber nicht ausschließliche
Varianten. Zum ersten die Runden oder Ovalen, ähnlich wie sie bereits bei
den Tamburen zu finden waren. Die größtenteils deckenständigen
Wirbel sind mehr oder minder im Halbkreis angeordnet. Zuweilen erscheint solch
ein Kopf als eine Art Trommel mit einer Wirbelebene (siehe Quellenverzeichnis).
Die funktionale Besonderheit solcher Wirbeltrommeln ist jedoch zweifelhaft.
Die zweite Variante des Gitarrenwirbelbretts, die sich bei den Prototypen des
16. und 17. Jahrhunderts immer mehr durchsetzte, hatte einen schlichten, funktionalen
Umriss von rechteckiger bis trapezförmiger Gestalt. Die Sagittalwirbel
waren hinterständig, in zwei fast parallelen Reihen angeordnet. Gelegentlich
sind bei der Gitarre aber auch Knickhälse bzw. Wirbelkästen anzutreffen.
Das Argument, die Gitarre sei eine Weiterentwicklung der mittelalterlichen Tambur,
die dadurch überflüssig wurde, ist nicht ganz von der Hand zu weisen.
Jedoch gelten die Einwände hauptsächlich der baulichen Verwandtschaft
mit der Lira da braccio. Auch die Musizierpraxis scheint sich von der auf der
Tambur in wesentlichen Dingen zu unterscheiden. Ist doch der musikalischen Entwicklung
von Gitarre und Renaissancelaute eine gewisse Einheit beschienen. Diese beiden
Instrumente, Gitarre und Renaissancelaute, sind die beiden über Jahrhunderte
fest im Sattel sitzenden Basispunkte für die Instrumentenentwicklung der
gezupften Lauten.
Konsolidierung der Violin/Violen
Als in Italien die antike Renaissance im Zenit stand, in den Niederlanden sich
das Bürgertum politisch etablierte und in deutschen Landen die Reformation
keimte, traten auch die Streichinstrumente in eine neue Etappe ihrer Entwicklung.
Diese Etappe wird eröffnet, so sich die Fiedeln von den Lauten abspalten.
Dieses Abspalten vollzog sich durch-die Herausbildung der Viola da gamba und
der Viola da braccio, deren deutliche Trennung von den zeitgenössischen
Zupfinstrumenten und deren Vormachtstellung über allen Streichinstrumenten
(für den mittel- und westeuropäischen Raum).Diese beiden Instrumente
begründeten als Einheit die Violin/Violen-Familie.
Charakteristisch für die Viola da gamba und die Viola da braccio war zum
einen der Kompromiss zwischen maximalen Resonatoreigenschaften und einer ungehinderten,
vorteilhaften Bogenführung, zum anderen die kunstvolle Verschmelzung von
Kopf und Wirbelmechanik. Was den Resonator anbetrifft, so besteht er aus Boden,
Decke und Zarge. Die Decke ist ausgearbeitet (nach außen gewölbt).
Am Ort der höchsten Erhebung steht der schlanke Steg, dort also wo die
Erregerfrequenz auf den Resonator übertragen wird. Abgesehen von der Vergrößerung
des Resonatorvolumens verursacht die künstlich erzeugte Wölbung oder
Ausbeulung der Decke eine Spannung des Holzes, welche prägnant die Resonanzeigenschaften
beeinflusst. Der Boden ist entweder der Decke äquivalent ausgearbeitet,
oder von ebener Gestalt mit einem leicht angewinkelten oberen Viertel. Die Variante
des flachen Bodens beschränkt sich als Möglichkeit für die Viola
da gamba, wobei das obere Viertel sich in einem horizontalen Knick zum unteren
Bodenteil anwinkelt. Ein Novum stellt der Verlauf der Zarge dar, der sich aus
den Umrissen der Decke ergibt. Die Decke nämlich tailliert sich; aber nicht
indem sie zur halben Länge allmählich schmaler wird, also eine 8-förmige
Projektion besitzt, sondern durch eine beidseitige konvexe Einbuchtung. Diese
Korpuseinkerbung, die dem Interpreten ein ungehindertes Bogenspiel ermöglicht,
verschafft Decke und Boden je vier Eckpunkte im Grundriss, jeweils die Ansatzpunkte
der Einbuchtungen. So ist trotz Taille ein großes Resonatorvolumen gewährleistet.
Die Zarge muss - ein Holzspan ist ja nicht umzuknicken - an diesen Stellen geteilt
werden, den vollziehenden Richtungswechsel durch kantig aneinander geleimte
Einzelteile zu bewerkstelligen. Die Zarge besteht so aus wenigstens vier, teilweise
bis zu sechs gekrümmten Spänen, die insgesamt die vier Kanten bilden,
die Taille zu formen. Diese deutliche Trennung von Oberbug, Mittelbug und Unterbug
ist spätestens seit Anfang des 16. Jahrhunderts anzutreffen (siehe Quellenverzeichnis).
Die Winkel der Zargenkanten unterscheiden sich von Instrument zu Instrument.
Bei Prototypen der Viola da gamba sind sie meist etwas stumpf, das heißt,
wenig größer als 90'. Prototypen der Viola da braccio haben meist
spitzwinklige Zargen- bzw. Taillenkanten. Auch der Kopf charakterisiert markant
Viola da gamba und Viola da braccio. Die Kastenmechanik, wie sie z.B. auch bei
der Renaissancelaute verwandt wurde, löste nun bei den Streichinstrumenten
beinahe endgültig das Wirbelbrett ab. Die Saiten werden im Inneren des
Kastens um die durch gespießten Wirbel gewunden. Bei kleineren Instrumenten
ist dieser Kopf aus dem Holz des verlängerten Halses geschnitzt, bei größeren
Instrumenten gezimmert bzw. angesetzt. Dieser Wirbelkasten ist aber mitnichten
ein Knickhals, er winkelt sich im Ansatz nicht oder nur wenig. Dafür neigt
er sich im Verlauf nach hinten, ist demzufolge geschwungen. Den Knickhals der
Renaissancelaute zu übernehmen, wäre unvereinbar mit der Spielhaltung
dieser Streichinstrumente, da die (linke) Greifhand den Hals von hinten angreift,
entgegen der Hals der Renaissancelaute von der Seite bzw., ihrer Haltung entsprechend,
von unten angegriffen wird. Die gekrümmte Kastenmechanik endet jedoch nicht
wie ein Kasten, sondern geht, die Krümmung wieder umkehrend, in einen nach
vorn gerichteten Schmuckkopf über. Die Motive solcher Galionsfiguren reichen
vom Tier- oder Menschenkopf bis zur schlichten Standardschnecke.
Der Hals ist relativ schmal, das Griffbrett im Querschnitt abgerundet. Viele
Vertreter der Viola da gamba besitzen Bundstäbe, die jedoch nicht fest
arretiert, sondern größtenteils um den Hals gelegte Schlingen aus
Darm sind, demnach verschieb- bzw. korrigierbar. Die Viola da gamba ist grundsätzlich
größer und hat einen entsprechend tiefen, sonoren Klang. Die Kleinen
werden sitzend, das Instrument zwischen den gespreizten Beinen, gespielt, die
größeren stehend. Vorkämpfer der Viola da gamba entwuchsen der
Familie der Gambenfiedel. Es wäre aber nur unsicher zu sagen, wann welches
Definitionskriterium der Viola schon bei den Gambenfiedeln auftauchte. Um 1500
konsolidiert sich endgültig die Viola da gamba.
Prototypen dieser besitzen eine hohe Zarge und damit einen voluminösen
Korpus. Dieser hat sehr schmale Schultern, so dass die Decke zum Halsansatz
spitz zuläuft. Der Oberbug ist deutlich schmaler als der Unterbug. Die
sechs Saiten führen über den Steg zum gemeinsamen Saitenhalter, der
die Zugkraft auf einen Knauf an der Zarge überträgt. Entweder diente
als Knauf die Halterung für den Stachel (Standfuß), in diesem Fall
wurde ein Hängedarm benutzt, oder aber ein Holzstift, senkrecht aus dem
untersten Ende der Decke ragend, am Unterbalken arretiert. Die Schallöcher
vollziehen eine Entwicklung. So herrschen vorerst C-, später S- und wieder
später die f-Löcher vor.
Die Viola da braccio korrespondierte in ihrem Aufkommen nach 1500 eng mit der
da gamba, dass sie sich nur in Sekundärmerkmalen, zumeist Erbgut der Lira
da braccio, von ihr unterschied. Abgesehen von ihrer Haltung - die kleineren
Vertreter werden, das Korpushinterteil auf den Schultern ruhend, mit dem Kinn
gehalten, die größeren an die Brust gestemmt - weist gerade der Korpus
einige Unterscheidungen auf. Die Zarge ist schmal, besitzt, wie schon erwähnt,
spitzwinklige Taillenkanten, und die Taille ist oft lang gestreckt. Die Schultern
sind hochgezogen, manchmal sogar überschüssig, so dass der Oberbug
die Mittellänge überragt. Der Steg ist niedrig aber breit, das Griffbrett
entsprechend, und es läuft in einem sehr kleinen Winkel vom Halsansatz
als frei schwebender Schlips über dem Korpus weiter. Bei der Viola da braccio
finden sich anfänglich noch C-, ansonsten nur S- und f-Löcher.
Die Konsolidierung der Viola da gamba um 1500 und der Viola da braccio wenig
später war die Geburt einer neuen Familie der Violin/Violen. Sie sollte
ein dominierendes Glied in der europäischen Instrumentenbaukunst werden.
Mit der Begründung der Violin/Violen-Familie trennten sich zum einen die
Wege von Zupf- und Streichinstrumenten, zum anderen verliert für Europa
nun damit der Begriff Laute seine allgemeine Bedeutung. Insofern von den Lauten,
dem hier verwandten Sammelbegriff für unterschiedliche Griffbrettinstrumente,
- sich eine Streichinstrumentenfamilie absondert, - bei den gezupften oder mit
dem Plektrum geschlagenen sich zwei Vertreter auszeichnen, - ansonsten sich
das Spektrum den Dynastien unterwirft. Für die weitergehende Entwicklung
des (europäischen) Instrumentariums ist der Begriff Laute historisch überholt.
Einschränkend muss jedoch bemerkt werden, dass die soeben angeführten
Behauptungen für den Osten Europas nicht in dieser Konsequenz gelten.
Zu den Dynastien der Lauten, Gitarren und Geigen
Die Familien Renaissancelaute, Gitarre und Violin/Violen bildeten mehr oder
weniger starke Dynastien aus. Die Verzweigung ihrer Stammbäume beherrscht
die neuzeitliche Entwicklungsgeschichte der klassischen Zupf- und Streichinstrumente.
So erwuchsen z.B. der Violin/Violen-Dynastie die Violine, deren Standard stammt
bereits aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, die barocken Gamben,
bis hin zum Violone (einem Kontrabassinstrument). Auch gab es Bastarde. Die
Pochette z.B. kann als Violinenabkömmling mit ihrem sehr schlanken, schmalen
Schallkörper wohl nur noch als Randglosse in die Familienchronik aufgenommen
werden. Ganz anders konnte die Mandola, ein gemeinsamer Spross von Renaissancelaute
und Gitarre, eine eigene Familie gründen, die zwar nicht integriert wurde,
aber auch nicht abseits stand.
Die Geschichte dieser drei Dynastien trägt aber alles in allem das Erbgut
der gemeinsamen Lautenentwicklung in sich. So lebt etwa die Symbiose von Leier
und Laute fort, z.B. in den zeitweise sehr populären Theorben, Borduninstrumente
der Renaissancelaute, oder in der Viola d'amore, ein Borduninstrument der Viola
da gamba. Ungeachtet der soeben angestellten Schlussbetrachtung soll die frühe
Geschichte der Fiedeln, Gitarren- und Lauteninstrumente dort enden, so der Begriff
Laute historisch (für das europäische Instrumentarium) seine Bedeutung
verliert, und genannte Dynastien ihre eigene Geschichte schreiben.
Ausgewählte Probleme und Hypothesen
Die frühe Geschichte der Laute und die Anfänge der Fiedel offenbart
sich jedoch durchaus nicht so problemlos, wie diese Abhandlung den Eindruck
zu geben Gefahr läuft. So sei abschließend auf einige (wenige) Streitpunkte
eingegangen.
Wo alte Geschichte überhaupt, frühe Musikgeschichte und speziell die
frühe Geschichte der Laute nicht nur dem Feld der Phantasie überlassen
werden soll, muss der Gegenstand verstanden und ein entsprechendes Quellenmaterial
aufgearbeitet werden. Die Quellen sind die Anhaltspunkte der Geschichtsschreibung.
Bei der Systematisierung alter Quellen geht man von einem Axiom aus.
Axiom: Die jeweilige Quelle diene erstens als gesicherter, lokaler und temporaler
Nachweis für die Existenz des Gegenstandes, und zweitens zeichne sie diesen
Gegenstand als etwas Typisches für diese Zeit und diesen Ort aus.
Ein solches Axiom ist für jede Fundierung einer Historie unumgänglich.
Jedoch birgt es in sich zahlreiche Schwächen. So bleibt z.B. immer der
Zweifel, ob ein Quellenmaterial wirklich repräsentativ sein kann. Einige
Beispiele:
- Aus Zeit der italienischen (eigentlich genauer der antiken) Renaissance sind
verschiedene Lyra- und Kitharadarstellungen bekannt. Es kann aber angenommen
werden, dass diese Instrumente keinerlei Bedeutung in der zeitgenössischen
Musik gespielt haben dürften. Nach Seebass rührt die Verwendung dieser
Instrumentenmotive aus der Übernahme antiker Themen.
- Auf den Mangel an representativen Hinweise aus das wirklich verwendete Instrumentarium
aus dem römischen Imperium wurde bereits hingewiesen. Als Ursache wurde
die Tatsache, dass oft Sklaven als Musiker tätig waren, angeführt,
denn wer porträtierte schon einen Sklaven?
- Die fehlenden Hinweise zur byzantinischen Musik sind gleich durch zwei Tatbestände
zu erklären. Zum einen war das instrumentale Spiel als heidnisch erklärt,
zum anderen wurden im Bilderstreit von ... derart viele Bilder zerstört,
dass wohl der überwiegende Teil der byzantisch bildenden Kunst diesem Streit
zum Opfer fiel. Die moslemischen Türken, die dann dem Byzantinischen Reich
ein Ende setzten erledigten den Rest.
- Der Streit um figürliche Darstellungen war aber auch in Arabien lange
Zeit auf der Tagesordnung. So kommt es, dass auch Musiker selten bildlich festgehalten
wurden.
- Auf die widersprüchliche Beziehung des Islams zur Musik wurde bereits
hingewiesen. Einerseits blühte in arabischen Ländern des Mittelalters
die Musikkultur, andererseits gab es zahlreiche extremistische Initiativen,
die sogar landesweite Musikverbote durchsetzten. Der im Koran gegebene Hinweis,
die Musik sei ein Hilfsmittel des Satans, hatte aber auch für die instrumentalen
Hinweise z.B. Bilder mitunter verheerende Folgen.
Speziell für den Gegenstand Laute gibt es drei Kategorien von Quellen:a)
erhalten gebliebene Originalinstrumente bzw. einzelne Teile,b) bildliche oder
figürliche Darstellungen von Lauten,c) literarische Erwähnungen oder
gar Beschreibungen von Lauten.
Bei schriftlichen Quellen taucht das unersättliche Namensproblem auf. Werden
alte Namen richtig interpretiert?Einige Beispiele: Basierend auf Benno Landsberger
will Anne Draffkorn Kilmer den Nachweis erbracht haben, dass das akkadische
Wort "inu" und das entsprechende sumerische Wort "gudi"
(3. Jahrtausend v.u.Z.) Lauten bezeichnen. Ebenso ließ u.a. Werner Bachmann
die Möglichkeit offen, dass sich hinter dem altarabischen Wort "kamanga"
und dem persischen "kemance" (10. Jh. u.Z.) Fiedeln verbergen. Henry
George Farmer glaubte in der um 600 u.Z. in Syrien erwähnten "barbat"
eine Ud zu sehen. Francis W. Galpin z.B. identifizierte bei der Auswertung europäischer,
insbesondere nordeuropäischer Quellen von Leiern und Lauten bzw. Tamburen
Gitter=Geterne=Gythern=Gyttren, ebenso Chiterna=Quinterna=Chitarrone=Cither,
Citole=Sytholle=Cytol u.s.w.Ohne diese und ähnliche Vermutungen oder Behauptungen
generell anzuzweifeln, wurde dennoch in der vorliegenden Untersuchung weitestgehend
auf die Einbeziehung derart schriftlicher Erwähnungen verzichtet. Hingewiesen
sei hier auf den Irrtum von Biernath, der in der griechischen Kithara einen
Gitarrenvorgänger sah.
Anders verhält es sich mit Beschreibungen oder gar Konstruktionsskizzen
von Lauten. Sie bilden zusammen mit den erhalten gebliebenen Originalen die
aussagekräftigsten Quellen.
Leider sind sie sehr spärlich.
Bildliche oder figürliche Darstellungen von Lauten sind oft die einzigen
und damit wichtigsten Hinweise. Aber: Die Ohnmacht des Details.Bei vielen Abbildungen,
Plastiken, Reliefs o.ä. von Lauten sind viele Einzelheiten des Originals
(Modells) nicht mit auf die Leinwand, den Stein u.s.w. übertragen worden.
Teils durch nachlässige Wiedergabe des Lautenmotivs, welches ja oft nur
von nebensächlicher Bedeutung war, teils durch eine der jeweiligen Stilistik
obliegenden Modifikation der Motive, teils aus noch anderen Gründen, ist
es mitunter schwer oder sogar unmöglich spezielle Aussagen über Details
zu machen. Die Interpretation von bildlichen oder figürlichen, alten Quellen
bereitet oft Schwierigkeiten.Einige Beispiele: Auf einer Illustration des Utrechter
Psalters (siehe Quellenverzeichnis/Tambur) ist ein Musiker zu sehen, der eine
Winkelharfe und eine Tambur hält oder trägt, in der rechten Hand einen
langen Stab (?), nach vorn weisend.
Friedrich Behn interpretierte diesen Stab als einen Streichbogen der Tambur
und glaubte damit den frühesten Hinweis für eine Fiedel entdeckt zu
haben. Kathleen Schlesinger strafte ihn Lügen und interpretierte ein langes
Schwert. Werner Bachmann gar glaubte, darin eine Meßlatte sehen zu müssen.
Der Ohnmacht des Details fielen auch die Veränderungsthesen der Renaissancelaute
von Karl Geiringer zum Opfer. Er nimmt ausschließlich auf die bildende
Kunst Bezug. So spricht er u.a. vom Übergang von 1450, aus der kleinen
Eilaute wird eine Apfellaute, und vom Übergang von 1500, aus der Apfellaute
wird eine große Eilaute. Einerseits werden u.a. auch diese seine Thesen
durch die im Quellenverzeichnis angegebenen Vertreter der Renaissancelaute keineswegs
bestätigt, im Gegenteil.
Andererseits sei vermerkt, dass doch der Maler, wenn es der Bildkomposition
dienlich gewesen wäre, die Ei-, Apfel-, Birnen- oder sonst eine Form durchaus
hätte etwas modifizieren können.
Und wann hört das kleine Ei auf und beginnt das große Ei, wann wird
aus dem Ei ein Apfel u.s.w./* Hickmann glaubte aus den ägyptischen Zeichnungen
von Spießlauten, auf denen Bünde zu erkennen waren, eine Berechnung
der Töne bzw. der Intervalle vornehmen zu können.
Ein weiteres Quellenproblem: Darf man den Jahreszahlen trauen? Die Datierung
alter Quellen ist oft zweifelhaft. Entweder man begnügt sich oft mit relativ
ungenauen Zeitangaben, oder man ist erbarmungslos den Zweiflern ausgesetzt.
Selten, dass präzise Zeitangaben alter Quellen allgemeine Anerkennung finden.
Beispiele für den unabläßlichen Datierungsstreit wären
überaus zahlreich zu nennen. Nur dies Beispiel: Seebass datierte ein byzantinisches
Psalter (siehe Quellenverzeichnis /Pandurafiedel) auf 1059, Bachmann ins 10.
Jahrhundert. Nun steht und fällt aber u.a. mit der Datierung dieses Psalters
die noch zu erwähnende bachmannsche Hypothese der Fiedelherkunft. Bei der
Auswertung von Figuren bzw. Reliefdarstellungen von Lautenisten aus Mesopotamien
stellte Subhi Anwar Rashid eine spezielle Datierungshypothese auf. Nach ihr
kann die Spielhaltung der Laute zur Datierung herangezogen werden. So wurde,
nach Rashid, zur Isin-Larsa-Zeit (2017-1763 v.u.Z.) und während der Hammurapi-Dynastie
(1792-1594 v.u.Z.) die Laute (Spießlaute) quer vor dem Körper, also
horizontal gehalten. In kassitischer Zeit (etwa 1595-1175 v.u.Z.) schräg
nach oben. Zur Zeit der Seleukiden spielte man, so Rashid, die Laute (Pandura)
schräg nach unten.Zweifel an dieser Datierungshypothese kommen vor allem
aus Musikerkreisen, die die individuelle Spielweise einzig vom eigenen Gutdünken
des Interpreten abhängig wissen wollen.
Ein Beispiel für das Problem der Waghalsigkeit der Jahreszahlen sei nur
genannt im Beginn der 18. ägyptischen Dynastie. Lebte sie nun 1580-1320
v.u.Z. (Hickmann MGB) oder 1551-1305 (Gerhard Rühlmann Lex. früher
Kul.)?
In der gängigen Literatur (siehe Literaturverzeichnis) gibt es zur Geschichte
von Laute und Fiedel eine solche Fülle von hypothetischen Behauptungen,
dass hier nur noch eine geringe Auswahl Erwähnung finden kann. Willibald
Leo von Lütgendorff behauptet, das Lautenmachen sei in Deutschland zum
Kunstzweig erhoben worden. Insbesondere sei Füssen (in Tirol) der Ort,
aus dem die bedeutensten Lehrmeister des Instrumentenbaus hervorgingen. Auf
die Theorie des modulierten Jagdbogens wurde ja bereits eingegangen.Tobias Nordlind
äußerte eine Hypothese über den Anfang der Instrumentenentwicklung
allgemein. Er glaubte, dass diesen Anfang einige Instrumente bestritten, die
nicht von Hand (oder Mund) des Menschen erklangen, sondern "...von der
Luft aus zum Tönen gebracht..." wurden.
Über das, wer welche Laute wohin brachte, welche Wege sie nahm, gibt es
einige interessante Überlegungen.Wilhelm Stauder z.B. führte das Auftreten
der Laute in Mesopotamien Mitte des 2. Jahrtausend v.u.Z. auf "Bergvölker"
zurück. Er ging von der indogermanischen Zugehörigkeit von Hethitern,
Churristern und Kassiten aus, die möglicherweise aus dem Kaukasus stammen
sollten. Dort (im Kaukasus) hätten sie, so Stauder, die Laute, schon lange
bevor sie nach Vorderasien kamen, in Gebrauch gehabt.Diese These gilt heute
weitläufig als überholt. So sprach Rashid von einer Neuentwicklung
der Akkadzeit (2350-2170 v.u.Z.)
In Verbindung mit dem Auftreten von Leiern und Lauten in Ägypten äußerte
Hans Hickmann eine vage Vermutung. Wurde die Leier (Bezug nehmend auf den Instrumentenimport
unter König Amenemhet II. - 1938-1904 v.u.Z.) von den Hebräern bei
ihrem legendären Einzug in Ägypten mitgebracht? Die Laute hingegen
soll, so Hickmann, um 1580 v.u.Z. im Gefolge eines Kriegsgottes Reschef nach
Ägypten gelangt sein.Nun wanderten aber die Hebräer nach alttestamentarischer
Geschichtsschreibung nicht vor 1728 v.u.Z. an den Nil. Aus dieser Zeit, zwischen
Mittlerem Reich und Neuem Reich, gibt es zudem wenig Quellenmaterial zur Musik.
Erst wieder aus dem 16.Jh.v.u.Z. Sollten nun die Israeliten die Spießlaute
nach Ägypten gebracht haben?
Über den Ursprung der Streichinstrumente gab es viel Spekulation. Einige
sprachen von einer mittelasiatischen, andere von einer indischen Herkunft.Biernath
nun glaubt sich auf den antiken Dichter Achilleus Tatios berufen zu können.
Der einst in Alexandria Lebende soll geschrieben haben:"... Knabe ... mit
einem Saiteninstrument, Cithara ... darauf nimmt er einen Bogen und spielt damit
die Cithara ..."Friedrich Behn spricht von der nordischen Herkunft und
untermauert diese durch das Utrechter Psalter von 820/830 u.Z. Auf einer Illustration
dessen glaubt er, wie oben erwähnt, einen Streichbogen zu erkennen. Werner
Bachmann setzt die Fiedelherkunft ins 10. Jahrhundert in den A-A-A-Bogen (Anatolien-Arabien-Andalusien).
Die Fiedel sei über oder aus Arabien nach Byzanz und Spanien gelangt.Die
von Bachmann angeführten byzantinischen Quellen des 10. Jh. sind aber fragwürdig
datiert. Teilweise werden sie von anderen in 11.Jh. gesetzt, wie z.B. obengenannt
von Seebass. Gesichert scheint, dass Spanien wohl die erste Hochburg der Fiedel,
wenigstens der europäischen, war.Was die arabischen Quellen angeht, so
gesteht Bachman selbst ihr gänzliches Fehlen.Studiert man das Material
der Fiedelabbildungen des 10.-11. Jahrhunderts, so könnte man zu der Vermutung
kommen, dass Südeuropa Träger der Fiedelausbreitung war, Byzanz Importeur.
Aus Südfrankreich und Italien (siehe Quellenverzeichnis) z.B. sind einige
Quellen um oder wenig nach 1000 u.Z. datiert. Die Datierungen der byzantinischen
Quellen vor 1000 sind, wie bereits erwähnt, zweifelhaft.Ob nun Spanien
das wirkliche Mutterland der Streichinstrumente ist? Da sich die frühen
Hinweise der Fiedeln ausnahmslos auf Buchillustrationen wiederfinden, sei kommentarlos
eine Vermutung von Pedro de Palol zitiert: "... dass diese frühen
Buchilluminationen zu Malereien afrikanischen Stils Beziehung hatten."
Buchner behauptete nationalbewusst, die Slawen wären die wahren Schöpfer
der Violen gewesen.
Die Frage, woher die Motivation kam, eine Laute mit einem Bogen zu streichen,
wurde oftmals mit der "Übergangstheorie" befriedigt. So heißt
es, dass Saiteninstrumente zuerst gezupft, dann geschlagen, dann gerieben und
schließlich gestrichen wurden. Warum aber soll diese neue Art der Klangerzeugung
durch einen Streichbogen nicht dem Erfindergeist eines oder mehrerer phantasievoller
Musiker entsprungen sein?
Hans-Heinz Dräger spricht der Kniehaltung der Fiedel eine historische Priorität
zu. So hätte es in Europa einen Übergang von der Knie- zur Schulterhaltung
gegeben. Weiter stellte er die Frage: Warum unterließen die arabischen
Musiker diesen Übergang?
Andre Parrot vermutete über das Phänomen der nackten babylonischen
Musiker (Anfang 2.Jahrtausend): "Rituelle Nacktheit war bei manchen Zeremonien
die Regel; anscheinend waren alle diese Musikanten Prister, die sich bei einer
Liturgie selbst begleiteten."
Körte behauptete, die italienische Lautentabulatur hätte es bereits
1028 u.Z. gegeben. Entweder ist also der Udimport in Italien etwas früher
anzusetzen, oder auch er hat sich täuschen lassen.
Lehmann glaubte, dass sich die Lauten baulich nur deswegen verändert hätten,
weil die Instrumente lauter
werden sollten.
Und Fragen gibt es stets mehr als Antworten.
Quellenverzeichnis
Eine Historie beschreibt das Wann und Wie einer Bewegung.
Hingegen bleibt eine Historie gegenstandslos, solange eine
nähere Bestimmung der Bewegungssubjekte fehlt. Eine Einigung
über die Begriffe erst kann das Verständnis eröffnen.
Zwar liegt nun die frühe Geschichte der Lautenfamilie vor, aber
die ausgezeichneten Vertreter der Laute, die da Spießlaute,
Pandura, Ud, Tambur usw. heißen, wurden im Vergleich
beschreiben, nicht aber näher definiert.
Es ist wohl nur schwer möglich, für die hier behandelten
Begriffe eine exakte Definition zu suchen, die alle Objekte zur
Auswahl antreten lässt, um a priori ihre Zugehörigkeit zu
ermessen. Vielmehr ist es sinnvoll mit einer typoralen
Begriffsdefinition zu arbeiten, die beispielhafte Vertreter
(Prototypen) auszeichnet, um mit allgemeinen Kriterien des
Vergleiches a posteriori andere Objekte in den Begriff zu
betten, oder eben nicht.
Auch schon zu Beginn der Abhandlung wurde auf eine exakte
Definition der allgemeinen Familie Laute verzichtet.
Hauptsächlicher Grund dafür sind zwei Probleme:
1. Problem der Grenzfälle,
2. Problem der Vielfalt bzw. der ungewollten oder zu
nachlässigen Beschränktheit.
So ist es allemal besser mit Prototypen den Begriff zu fassen
und auf Kriterien der "guten" Vergleiche, die in unserem Fall
auf natürliche Art dem menschlichen Urteil zugestanden werden,
zu bauen.
Als Prototypen der Laute allgemein standen Spießlaute, Pandura,
Ud, Tambur, Renaissancelaute und Gitarre. Die frühen Fiedeln
gelten wohl weniger als Prototypen, vielmehr sind sie auf eine
natürliche Art und Weise, ohne es selbst zu wollen, der
Lautenfamilie zugehörig.
Bisher wurde mit diesen Vertretern der Lautenfamilie hantiert,
ohne eine definitive Einordnung in die Instrumentenwelt
vorzunehmen.
Anliegen dieses Kapitels soll es nun sein, für diese Begriffe
Spießlaute, Pandura etc. eine Auswahl von Prototypen zu
erstellen. Dieses geschieht anhand historischer Quellen.
Ausgewählte Vertreter (Prototypen) bzw. deren Abbilder
Die nun folgenden Quellenangaben charakterisieren die einzelnen
Instrumentenfamilien durch die Auflistung ausgewählter
Prototypen mit deren zeitlicher Einordnung; teilweise auch
durch andere nicht typische Vertreter, die aber in
unmittelbarer Umgebung liegen und geschichtlich wichtige
Anhaltspunkte darstellen.
Des weiteren sollen die hier angeführten Quellen die
Behauptungen und Hypothesen aus dem vorangegangenen Kapitel
untermauern bzw. bekräftigen.
Größtenteils stehen von den vermeintlichen Prototypen bzw. wichtigen
Vertretern nur deren Abbilder zur Verfügung.
Soweit nicht anders angegeben, handelt es sich bei diesen
Quellen um Miniaturen, Zeichnungen, Gemälde, Wandmalereien o.ä.
bzw. deren Fragmente. Die angegebenen Datierungen und die
angegebenen musealen Hinweise wurden, soweit vorhanden, der
jeweils aufgeführten Literatur entnommen.
Soweit den Quellenangaben keine Beschreibung angefügt wurde,
handelt es sich um Prototypen der betreffenden Instrumente.
Die Spießlaute im Alten Orient
** Akkadisches Rollsiegel (Mesopotamien 235-2170 v.u.Z.);
London, British Museum, BM 89096 * Kniender Musiker spielt eine Laute mit langem schlanken Hals
und sehr kleinem runden Korpus. Einzelheiten sind nicht
erkennbar.
** Akkadisches Rollsiegel nach 2270
v.u.Z. (Mesopotamien); London, British Museum, BM 28806 * Ein sitzender Mann spielt eine kleine
2-saitige Laute.
** Babylonisches Terrakottarelief aus Eschnunna (Tell Asmar),
Anfang 2.Jahrtausend; Paris, Musee du Louvre, AO 12457 * Ein nackter Mann spielt während des
Laufens oder Marschierens seine schlanke Spießlaute.
** Mesopotamische Terrakottareliefs; Bagdad, Iraq Museum, IM
1961, IM 31036, IM 6622, IM 3415, IM 5586, IM 9419 und IM 9594
* datiert auf 1950-1530 v.u.Z. * Der
schlechte Zustand der Figuren erlaubt es nicht, Einzelheiten zu
benennen. Einzig die Interpretation als Lautenspieler.
** Wandmalerei im Grabe der Nacht in Weset (Theben) um
1420-1411 v.u.Z. * Eine tanzende Frau
spielt einen Prototyp der ägyptischen Schildkrötenlaute. Die
herunterhängenden Saitenenden sind mit Trotteln verziert.
** "Harmorislaute", Originalinstrument
aus einem Massengrab der thebanischen Nekropole bei De'r
el-Bahari, 1520-1484 v.u.Z.; Museum Kairo, Kat.Nr.69421 * Dieser Prototyp der ägyptischen
Mandellaute besitzt einen hölzernen Resonator, der mit einem
rotgefärbten Tierfell bespannt war. Der originale Saitenbezug
hatte einen Durchmesser von 1cm. Die Saiten waren an einem
Vorsprung am untersten Halsende angeknüpft. Die Gesamtlänge
beträgt 119.5cm. Hamoris war ein Sänger im Dienste des Senmut.
** Erhaltenes Original, Ägypten, Neues Reich (1580-1090
v.u.Z.) * Der oben spitz zulaufende
Korpus besitzt zwei Querverstrebungen. Die Decke fehlt. Der
Hals mit rundem Querschnitt ist stark verzogen, so dass er
regelrecht krumm wirkt.
** Malerei im Grabmal Pahekmen aus der Zeit der 18. Dynastie
(1580-1320 v.u.Z.); Nekropole von Theben, Grab 343 * Ein Prototyp der ägyptischen
Mandelspießlaute wird von einem stehenden Mann gespielt.
Daneben sitzt ein Bogenharfenspieler.
** Originalinstrument, thebanisches Grab 1389
der el-Medinah, 18. Dynastie; Museum Kairo Kat.Nr.69420 * Dieser Prototyp der ägyptischen Schildkrötenlaute misst
eine Länge von 62cm. Die rotgefärbte pergamentene Decke weist 6 kleine
Schallöcher in zwei Reihen auf. Am unteren Halsende wurden zwei Zacken
zur Saitenbefestigung ausgeschnitzt.
** Malerei, Thebanische Nekropole Grab 82, um 1500 * Ein männlicher, stehender Mandellautenspieler begleitet
die Sängerin Bakit. Das dreisaitige Instrument ruht in seinem
Armgelenk bzw. auf seinem Unterarm. Er benutzt ein Plektrum.
** Wandmalerei aus dem Grab 341 der thebanischen Nekropole,
Regierungszeit Ramses II. (1290-1224 v.u.Z.) * Ein Sänger begleitet sich auf einem Prototyp der
Mandellaute. Die erste Saite ist ans äußerste Halsende
geknüpft, die zweite deutlich darunter.
** Terrakottarelief, Bagdad, Iraq Museum, IM 46588,
kassitisches Babylon * Ein stehender
Mann spielt eine schräg nach oben gehaltene Spießlaute. In
Folge der Verwitterungserscheinungen verbieten sich
detaillierte Aussagen.
** Kudurru (Stele) aus Susa von König Marduk-apal-idina,
1176-1164 v.u.Z.; Paris, Musee du Louvre Sb25 * Eine Gruppe laufender oder marschierender Musiker
spielt auf Spießlauten mit langen schlanken Hälsen und kleinen
runden Resonatoren.
** Orthostat mit Relief vor der linken Torfassade; Alaca
Höyük. 14.Jh.v.u.Z.; Archäologisches Museum Ankara * Diese "Hethitische" Spießlaute besitzt
einen länglicheren taillierten Korpus. Der Hals dieses
2-saitigen Instrumentes weist Bünde auf.
** Relief von Sendschirli, Nordsyrien Anfang 1. Jahrtausend
v.u.Z. * Deutlich bei dieser
Lautendarstellung ist der taillierte Korpus und die typischen
herabhängenden Saitenenden.
** Steinrelief aus Sandschirli; Vorderasiatisches Museum
Berlin * Ein sitzender Musiker hält
eine lange Spießlaute mit einem kleinen runden Korpus.
** Alabasterrelief aus dem Nordpalast in Kalhu, z.Z. König
Assurnasirpal (883-859 v.u.Z.); British Museum London BM 124548
* Diese 2-saitige Langhalslaute
besitzt augenscheinlich noch keine Wirbel o.ä. zur
Saitenaufspannung.
Die Pandura im Alten Orient
** Terrakottafigur aus Afrasiab, 4.-3.Jh.; Ermitage Leningrad
* Ein Lautenspieler hält schräg
nach unten ein Instrument mit schlankem Korpus, an dem starr
der Hals befestigt ist. Das Halsende ist jedoch abgebrochen.
Man erkennt die Andeutungen einer Querriegelbefestigung.
** Terrakottafiguren, seleukidisch; Bagdad, Iraq Museum, IM
26707, IM 22556, IM 72736 * Es
lassen sich nur wenig Auskünfte über Einzelheiten machen. Die
starre Halsbefestigung deutet auf Panduren.
** Terrakottafigur; Berlin, Vorderasiatisches Museum, VA Bab
345 * Offensichtlich hält diese Figur eine seleukidische
Pandura.
** Malerei im Tempel von Philae; ptolemäisches Ägypten
(2.Jh.v.u.Z.) * Bei dieser schlanken
Laute bereitet die Deutung des Kopfteils Schwierigkeiten. Die
Interpretation als Pandura kann hier nur als Vermutung stehen.
** Kalksteinfries mit Musikanten, Airtam
bei Termez (Turkestan); Baktrien 1.Jh.v.u.Z.; Ermitage
Leningrad * Trotz des zerstörten
Halses ist deutlich seine starre Befestigung erkennbar. Die
vier Saiten sind an einem Querriegel befestigt. Der
Resonanzkörper ist leicht tailliert, die Decke weist vier nach
außen gewandte C-Löcher auf.
** Terrakottafigur aus Sariasija, Baktrien 1.-3.Jh.u.Z.;
Heimatmuseum des Distrikts Surchandarja, Termes * Ein Musiker hält eine kleine Pandura mit kurzem
Hals und länglichem, leicht tailliertem Korpus quer vor dem
Bauch.
** Steinfigur, Gandhara (Butkara I.), Afghanistan 2.-3.Jh.;
Rom, Museo Nazionale d'arte orientale * Auf der Decke des bootsförmigen Korpus dieser Pandura
befinden sich vier kleine Schallöffnungen. Die Saiten haben
eine Querriegelbefestigung.
** Original aus den Grabungen bei Qarara,
4.-8.Jh. u.Z.; Sammlung des Ägyptologischen Instituts der
Universität Heidelberg * Diese
koptische Pandura besitzt einen stark eingekerbten, hölzernen
Resonator. Die beidseitigen Einkerbungen des schmalen,
ansonsten durchweg gleichdicken Schallkörpers haben eine nahezu
halbrunde Form.
** Original aus Akhumim, 5.-8.Jh.u.Z. * Dieses 41,5cm lange, wobei der Resonator bei einer Breite von
5,1cm bereits 18.3cm misst, aus einem Stück geschnitzte
Instrument besitzt etwa zur halben Resonatorlänge beidseitig
eine 8mm tiefe und 12mm breite Einkerbung. Diese "Koptische
Kerblaute" besitzt drei deckenständige Wirbel, die in den
verlängerten Hals gedreht wurden.
** Original aus dem Kloster Apa Jeremias bei Saqqarah
(Ägypten) 5.-8.Jh.u.Z. * Der Hals
dieser 85,5cm langen "Koptischen Kerblaute" wurde aus zwei
Teilen zusammengesetzt, bzw. geleimt. Entsprechend breiter ist
der Korpus, der beidseitig die charakteristische Einkerbung
besitzt.
Die Ud im Alten Orient
Hierzu kann unter Vorbehalt auch das Quellenmaterial aus dem
islamischen Spanien und aus Sizilien verwandt werden.
** Relief aus Nagarjunakonda, ayaka-Platte des Stupas III.,
Indien 2.Jh. * Die insgesamt große
Laute hat einen sehr großen und langen Korpus, der baulich nur
gezimmert sein kann. Die Darstellung deutet eventuell einen
Kasten für die 5 Wirbel an.
** Bruchstück eines Pfeilerreliefs, Amaravati, Stupa, Indien
3.-4.Jh.; London, British Museum Nr.17 * Eine Frau spielt eine große birnenförmige Laute. Am
geraden Halsende befinden sich fünf Flankenwirbel, wobei eine
Kastenhalterung der Wirbel unklar bleibt.
** Sassandinische Silberschale des Hurmuzd, Sohn des Nargash
(Inschrift); Mazandoran (6.Jh.u.Z.); Archäologisches Museum
Teheran * Mit einem Plektrum
gespielt wird eine bauchige birnenförmige 4-saitige Ud.
Deutlich ist der abgeknickte Hals und der Querriegel auf der
großflächigen Decke, so dass sie durchaus schon als Prototyp
gelten kann.
** Fresko (stark sassanidische Prägung), Palast Qasr al-Hayr
asch-Scharqi, Syrien um 728; Nationalmuseum Damaskus * Dieser Prototyp einer Ud mit einem voluminösen
Schallkörper und einem Knickhals hat geflammte Schallöffnungen
auf der bauchigen Decke.
** Wandmalerei in Pendshikent, Wohnobjekt VI Raum 42, Sogdien
7.-8.Jh.; Ermitage Leningrad *
Eine Frau spielt mit einem großen Plektrum eine große
birnenförmige Ud (Prototyp). Der Korpus geht konisch in den
wahrscheinlich sehr kurzen Hals über, der im abgeknickten
geraden Wirbelkasten mündet.
** Wandmalerei in Kalai Kachkacha, Ustruschana 7.-9.Jh.;
Ermitage Leningrad * Der große
runde Korpus dieses Prototyps hat einen gleitenden Halsansatz.
Der Hals schwingt oben ab, so dass der Wirbelkasten vom Hals
nicht durch einen Knick, sondern durch eine starke Biegung
getrennt wird. Dieser Wirbelkasten ist unten und natürlich auch
oben offen, besteht nur aus den Seitenwänden.
** Sassanidische Silberschale, Iran 8.-10.Jh.; Ermitage
Leningrad * Die vier Saiten dieser
bauchigen Ud finden Halt an einem am Kanes angebrachten
Querriegel. Der Wirbelkasten hat als Knickhals eine gerade
strenge Gestalt.
** Bodenfresko aus Qasr al-Hayr al-Gharbi, Syrien;
Nationalmuseum Damaskus * Dieser
Prototyp einer Ud besitzt einen bauchigen Korpus, der konisch
in den kurzen Hals übergeht. Das mit Bünden versehene
Griffbrett mündet in einem rechtwinkligen Knickhals. Der Kanes
dient als Saitenhalter. Die Schallöffnungen, in Form von
liegenden zugewandten "3"-en, liegen weit am Rand der Decke.
** Ägyptische Malerei (12.Jh.), Arabisches Museum Kairo * Der Wirbelkasten mit sechs Wirbeln knickt
im stumpfen Winkel vom Hals ab. Der Korpus dieser Laute bleibt
unklar.
** Illustration zur Geschichte "Hadith Bayad u Riyad; Maghreb,
Marokko 13.Jh.; Vatikan, Biblioteca Apostolica, Ms.Ar.368 Folio
10 recto * Der schlanke
Wirbelkasten dieses siebensaitigen Prototypen knickt im rechten
Winkel vom Hals ab. Der rechteckige Grundriss der komplizierten
Verzierungen hat eine zum Querriegel parallele Anordnung.
** Miniatur aus einer Handschrift der
Makamen des Hariri; wahrscheinlich Ägypten 1334;
Österreichische Nationalbibliothek Wien, A.F.9, fol.42v * Die am Kanes angebrachten Saiten bündeln sich
fächerartig zum rechtwinklig abgeknickten Kopf. Neben zwei
symmetrischen sechseckigen Rosetten befindet sich unter der
Saitenführung noch eine schlanke längliche.
** Konstruktionszeichnung einer Ud von Kitab
al-adwar des Safi al-Din Abd al-Mu'min; vor 1294; Bodlein Library
Oxford Ms.Maesh 521, fol.157v * Der voluminöse
birnenförmige Korpus mündet in einem breiten mit sieben Bünden
versehenem Griffbrett, welches wiederum als Knickhals endet. Die fünf
Doppelsaiten sind in Quarten gestimmt.
** Konstruktionszeichnung, altosmanischer Bericht, 1402-1405 u.Z.,
von Ahmedoglu Sükrüllah * Beschrieben wurde u.a.
eine 72cm lange 5-saitige Ud. Der Korpus ist 30cm breit und 15cm tief.
Der gerade verlaufende, rechtwinklig angeknickte Wirbelkasten misst
18cm. Er wird hinten von einem aufgeleimten Holzbrettchen geschlossen.
Die europäische Pandura
Die antiken Hinweise der Panduren insbesondere aus der Zeit der
römischen Republik sind in ihrer Zahl nur gering. So beschränkt
sich in diesem Fall das Quellenverzeichnis auf den Nachweis,
weniger auf die instrumentale Spezifik.
** Terrakottafigur aus Tanagra (Ende
4.Jh.v.u.Z.); Paris, Louvre Alinari 23737 * Eine Frau zupft einen Prototypen der Pandura. Bei
diesem grazilen Instrument geht der Korpus konisch in den Hals
über.
** Musenbasis von Montineia, Marmorrelief um 330-320 v.u.Z.;
Nationalmuseum Athen.216 * Eine
sitzende Muse hält leger eine Pandura auf dem Schoß. Der Korpus
ist eckig, Flankenwirbel sind angedeutet.
** Rückseite eines Silberdenars, römische Münze 78/77 v.u.Z. *
** Mosaik aus dem Palast von
Konstantinopel (5.Jh.) * Ein Mann
spielt mit einem Plektrum einen Prototyp einer 3-saitigen
Pandura mit einem kleinen eckigen Korpus. Die Flankenwirbel
stecken im verlängerten Hals.
** Römische Sarkophagfigur; Inventarverzeichnis von 1907:
Altes Museum Berlin Nr.838 * Der
Korpus dieser Pandura ist rund und klein. Die entsprechenden
Sarkophage sind typisch für die Beisetzung von christlichen
Römern dieser Zeit.
** Sarkophagrelief (Ende 3.Jhd u.Z.); Neapel, Museo Nazionale,
Inv.Nr.6598 Dt.Arch.Inst.Neg.1934,2111 * Die vier Saiten dieser kleinen Pandura finden an einem
Querriegel Halt. Der Korpus ist auffällig klein und in der
Draufsicht ein Rombus. Die Interpretation des Halsendes als
Ringkopf lässt Fragen offen.
** Sarkophagrelief nach 200 u.Z.; Rom, Museo Lateranense,
Anderson 24199 * Die
Reliefdarstellung vermittelt den Anschein, als habe der Korpus
minimales Volumen, so er nur unwesentlich breiter als der Hals
scheint. Keine Auskunft ist über die Arretierung der vier
Saiten zu erfahren.
** Sarkophagrelief (vor 300 u.Z.); Rom, Museo Lateranense,
Anderson 24187 * Auch bei dieser
Pandura ist der Korpus nur unwesentlich breiter als der Hals,
zumal es ohnehin keine erkennbare Trennung gibt. Die vier
Saiten sind oben am verlängerten Hals deckenständig, genau so
wie unten auf der Decke mit knopfartigen Stiften festgesteckt.
Die Tambur
** Stuttgartpsalter; St-Germain-des-Pres, um 830;
Württembergische Landesbibliothek Stuttgart, Bibl.fol.23
Psalter fol.163 * Prototyp einer
Tambur, deren Hals in einem Wirbelbrett mündet. Trotz des
schlanken Resonators wirkt das Instrument robust.
** Boethius-Handschrift Karls des Kahlen; um 850 in der Abtei
von Tours entstanden; Staatliche Bibliothek
Bamberg,Msc.Class.5, fol.2v / 9v *
Eine kleine Tambur, die noch der frühchristlichen Pandura
ähnlich ist.
** Utrecht-Psalter (820/830); Bibliotheck van de
Rijksuniversiteit, Utrecht, Cod.32, fol.25r * Dieser Prototyp der Tambur ist
auf mehreren Illustrationen dieses Psalters zu finden. Alle
Zeichnungen charakterisieren das Instrument in gleicher Weise
mit dem hufeisenförmigen Korpus.
** Illustration im Evangeliar des Medardus; 8.-9.Jh. * Der Korpus dieser Tambur hat einen
zackenartigen oberen Auslauf.
** Beatus-Kommentar zur Apokalypse (Vision des Lammes);
Spanien Anfang 10.Jh.; New York, Pierpont Morgan Library
Ms.644. * Diese 3-saitige große
Tambur zeichnet ein Hammerkopf aus. Das Wirbelbrett hat eine
quer zur Saitenführung weisende Gestalt. Eine eindeutige
Interpretation dieses Hammerkopfes fällt jedoch schwer, zumal
er auch anderenorts auftritt.
** Apokalypseschrift von Urgell fol.213v; Biblioteca de
Catalunya; westgotisch um 1000 * Diese
Illustration stellt einen Prototyp einer Tambur. Gezeichnet im
sparsamen Stil, ist doch der Ansatz eines Hammerkopfes zu
erkennen.
** Illustrationen in der Bibel aus Sant Pere de Roda;
Bibliotheque Nationale Paris, Cod.Lat.6; (Anfang 11.Jh.) * Prototyp einer Tambur.
** Cantica Alfons' des Gelehrten; Spanien um 1270; Cantigas de
Santa Maria, El Escoral j.b.2, fol.39v * Der Korpus dieser Tambur ist tailliert, die Decke hat
in Taillenhöhe ein rundes Schalloch. Der Unterbug verläuft
gleichförmig gekrümmt, hingegen der Oberbug beidseitig zwischen
Schalloch und Halsansatz zu Scheitelpunkte ausläuft.
** ebenda, El Escorial j.b.2; fol.133 * Trotz der Größe dieser Tambur besitzt sie nur zwei
Saiten.
** Textillustration (Kopie des jetzt im Frauenhaus
befindlichen Originals) ** Steinfigur am Westportal des
Münsters zu Straßburg, 13.Jh. * Auch
wenn der Korpus dieser in Stein gehauenen 4-saitigen Tambur in
dieser Form wohl nur begrenzt seinem Vorbild entspricht,
charakterisiert er doch die hochgezogenen mitunter kantigen
Schultern vieler Tamburen dieser Zeit.
** De Lisle Psalter, fol.134v, England um 1310; British Libary
London * Bei dieser Tamburzeichnung
bleibt ungewiss ob diese Laute gar gezargt ist.
** Steinfigur in der Kathedrale Santa Maria Burgos, Puelta del
Surmental; Spanien 13.Jh. * Der
Oberbug des taillierten Tamburkorpus vollzieht beidseitig
stumpfe Scheitelwinkel. Auf der Decke finden sich mehrere
kleine Schallöffnungen. Für die drei Saiten ist bereits ein
gemeinsamer Saitenhalter zu erkennen. Das Wirbelbrett ist
leicht nach hinten versetzt, ohne aber abzuknicken o.ä.
** vgl. Textauszüge in: Schultz 1889: "Die gigen und der
harpfen spil, Die tambur und die flöten", "Flotieren und
tambuire Die gruozten die recken", "Posauner und Tamburer" etc.
Symbiose von Leier und Laute
** Originalinstrument als Grabbeilage aus der Zeit der
germanischen Völkerwanderung; ehemals im Museum für Völkerkunde
Berlin; 1945 im Krieg zerstört * v Diese
von Behn als alemanisch betitelte Leier umfasst eine Oberfläche
von 80cm*20cm. Der Korpus ist eine kastenartig ausgehöhlte
Eichenholzplatte. Auch die Jocharme, aus der gleichen Platte in
die Leierform gebracht, sind ausgehöhlt. Über dem Hohlraum
liegt eine 4mm starke Eichenholzdecke.
** Cotton Vespasian A.i. fol.30v, vermutlich Canterbury 8.Jh.;
British Libary London, * In dieser
wahrscheinlich kleineren Variante bilden die Jocharme einen
geschlossenen Bogen.
** ev. Pfarrkirche in Freiberg, Unsere lieben Frauen, Goldene
Pforte, Gewände; Grillenburger Sandstein um 1230 * Bei diesem Prototyp einer alemannischen Leier
handelt es sich offensichtlich um ein Zargeninstrument.
** Psalter, Juttae Tarsinae (13.Jh.); Klosterbibliothek Zwettl
(Österreich) * Wie sehr oft wird die
alemannische Leier auch als Rotte bezeichnet. Charakteristisch
sind allemal die kräftigen Jocharme (bzw. Jochbögen).
** Bibel von Callisto (um 870); Rom, Biblioteca San Paolo
fuori le mura, fol.147' * Eine
senkrecht gehaltene Lyra nach antikem Vorbild hat parallel zu
den Jocharmen ein immerhin schlanker Griffbrett.
** Bibel Karl des Kahlen unter Graf Vivian um 846 hergestellt;
Saint-Martin in Tours; Bibliotheque Nationale Paris, lat 1.
fol.215v * Auch diese Lyra wurde
einfach mit einem Griffbrett versehen.
** Handschrift um 1000 aus Südfrankreich;
Bibliotheque Nationale Paris, fonds latin 1118, fol.104 * Dieses Instrument ist seinem Grundzug
nach eine alemannische Leier, deren Jocharme einen geschlossenen
Bogen beschreiben. Ein Griffbrett spannt sich zwischen
"Jochbogen" und dem eigentlichen Resonator. Obendrein wird
diese Griffbrettleier auch noch (da gamba) mit einem Bogen
gestrichen.
** Tonar aus der Gegend von Auch (Südfrankreich) (11. Jh.);
Bibliotheque Nationale Paris, Cod.lat.118.fol.104r * Hier wird (von König David) eine
Griffbrettleier gezupft.
** Worcester, Kathedrale, Flachrelief im Chorgestühl (1397
u.Z.) * Eine kleine Griffbrettleier wird
da braccio gestrichen.
** Brunonius Psalterium; gegen 1100 aus Norditalien * Dieses Instrument ist weder eine
typische Griffbrettleier noch eine (gestrichene) eigentliche
Laute (Fiedel). Zu sehen ist ein einziger Jocharm und natürlich
das Griffbrett. Dieser eine Jocharm und das Griffbrett sind
über das Wirbelbrett miteinander verbunden.
** Bibel aus Santa Maria de Ripoll; Vatikanische Bibliothek,
Cod. Vat. lat.5729 fol.227v (frühes 11.Jh.) * Scheinbar handelt es sich um eine gestrichene Tambur.
Das Wirbelbrett hat nicht nur die gleiche Breite, sondern auch
in der Draufsicht den ähnlichen Grundriss wie der Korpus. Es hat
den Anschein, als seien die Jocharme, die links und rechts
Wirbelbrett und Resonator verbunden hätten, einfach weggelassen
worden.
Die Pandurafiedel byzantinischen Vorbilds
** byzantinisches Psalter; Biblioteca Vaticana Rom.
Ms.graec.752, fol.23v & fol.3r * datiert auf 1059 * Eine panduraähnliche da braccio gestrichene
Fiedel.
** Relief an byzantinischem Elfenbeinkästchen; Museo Nazionale
Florenz, Coll.Carrand.Nr.26 (10. - frühe 11.Jh.) * Eine Fiedel mit rundem Korpus und Flankenwirbeln
wird da gamba mit einem langen Bogen gestrichen.
** Byzantinische Freskomalerei im Nordturm der
Sophienkathedrale in Kiew (um 1050) * Bei der eigentümlich
dimensionierten Fiedeldarstellung bleiben Hals und Kopf
(Wirbelmechanik) im Dunklen. Der Korpus ist birnenförmig mit
gleitendem Halsansatz. Die fächerartig aufgespannten Saiten
finden an einem Querriegel Halt.
** Byzantinische Psalterschrift, 1066 im
Brasiliuskloster von Caesarea für den Abt des Klosters Studion
in Konstantinopel geschrieben; British Museum London,
Add.19352, fol.191 * Deutlich bei dieser
ansonsten etwas verwitterten Arbeit sind die Flankenwirbel.
Dieser Prototyp der Pandurafiedel byzantinischen Vorbilds ist
schlank, und wird, auf der Schulter ruhend, mit einem langen
Bogen gestrichen.
Die Pandurafiedel spanischen Vorbilds
** Motzarabische Handschrift; S.Beari de
liebana expanotio in apokalypsis S.Johannis (920-930 in
Spanien); Biblioteca National Madrid, Hh 58, fol.127r * Vier Panduren in senkrechter Haltung
werden mit Bögen (von vier Engeln) gestrichen. Das runde
Wirbelbrett bietet drei Sagittalwirbeln Platz. Mit langem Hals
und schlankem Korpus ordnet sich das Instrument in die
typischen Vertreter der Panduren ein (siehe europäische
Panduren, z.B. bei Wegner).
** Beatus-Handschrift; 1073-1091 in Santo Domingo de Silos bei
Burgos entstanden; British Museum London, Add.1695, fol.86 *
Prototyp der Pandurafiedel
spanischen Vorbilds.
** Apokalypseillustration, Kap.14, 1-3; Beato de San Millan;
Academia de la Historia Madrid, Sig.33, fol.177 (10. - frühe
11.Jh. Spanien) *
** Beischrift "Consonancia cuncta musica"; Bibliotheque
Nationale Paris, Ms.Lat.9449, fol.34v; Graduale von Nevers um
1060 *
** Fresko in der Krypta von S.Urbano alla Caffarella bei Rom
(um 1011) *
** Compostela (Provinz Galicia), Kathedrale Santiago. Puerta
de las Platerias; vom Westgewände der linken Tür (Ende 11.Jhd)
*
** Bibelhandschrift um 1070 aus dem Rheinland; Gräflich
Schönbornsche Bibliothek Pommersfelden, cod.2777, fol.1 *
** Psalterhandschrift um 1050 aus Südengland; British Museum
London, Cotton Ms.Tib.C.VI, fol.30v *
** Kalendarium der Bibliothek des
Priesterseminars Straßburg, Ms.78 (I,Scr.10), fol.79r; 1154 im
Augustinerkloster Marbach (Oberelsass) entstanden *
** Psalterhandschrift aus Marturi, Abtei bei Florenz um 1100;
Biblioteca Laurenziana Florenz, Plut.XVII, Cod.3, fol.24v *
** Cantigas de Santa Maria, Cantiga 120, El Escoral T.j.1;
Sevilla um 1200 *
** Tonarium aus Etienne (Toulouse 12.Jh.); British Museum
London, Harl.4951, fol.297v *
** Cantigas de Santa Maria für König Alfons X. von Kastilien
(Spanien um 1270); Madrid Escorial T.J.1 *
Die Rebec
** Freskomalerei in der Capella Palatina
in Palermo (frühes 12.Jh.) * Dieser
Prototyp der Rebec mit ihrem tropfenförmigen Resonator, auf den
Knien des Spielers ruhend, hat einen abgeknickten
sichelförmigen Wirbelkasten. Diesen ziert am nach vorn
weisenden Ende ein Tierkopfmotiv. Die zwei Doppelsaiten finden
unten an einem Querriegel auf der Decke Halt.
** Zürich, Großmünster, Kapitell vom Portal der Nordseite;
König David in Sandstein (Zürich Ende 12.Jh.) * Der kleine runde Korpus dieses 4-saitigen Prototyps
ist auf die geschlossenen Knie gestellt.
** Plastik, Jaca (Provinz Aragon), Kathedrale, Portikus des
Südportals. Kapitell (um 1100) *
Diese kleine Kniefiedel mit ihrem gewölbten Korpus hat ein
eckig anmutendes Wirbelbrett.
** Cantigas de Santa Maria für König Alfons X. von Kastilien
(Spanien um 1270); Madrid Escorial b.I.2,fol.110 * Eine sehr schlanke 2-saitige Kniefiedel mit einem
Wirbelbrett.
** Cantigas de Santa Maria für König Alfons X. von Kastilien
(Spanien um 1270); Madrid Escorial j.b.2,fol.162 * Der schmale Resonator hat auf seiner Decke
mehrere kleine Schallöffnungen. Die zwei Saiten münden in einem
Knickhals.
Die Gambenfiedel
** englische Psalterhandschrift aus St.
Alban's Abbey (frühes 12.Jh.); Bibliothek von St. Goblehard in
Hildesheim, Albani-Psalter, fol.447r *
** York Psalter, fol.21v; University Library Glasgow;
Hunterian Manuscripts.229; York um 1175 *
** Bibel von Saint Etienne Harding, 1109 aus der Abtei
Citeaux; Bibliotheque publique Dijon, Ms.14, TomeIII, fol.13v *
** Kalksteinrelief um 1210; Köln; Schnütgen-Museum *
** Bibelhandschrift (12.Jhd); Bibliotheque Nationale Paris,
Ms.lat.11509, fol.5r *
** Portalplastik, Oloron, Kathedrale Saint Marie, Westportal,
äußere Archivolte, rechts (12.Jh.) *
** englische Handschrift (frühes 13.Jh.) British Museum
London, Arundel 157, fol.71v *
Die Lira da braccio
** Skulptur um 1270, Lincola, Kathedrale, Engelschor N11 *
** Calendarium irischen Ursprungs (Ende 13.Jh.);
Schlossbibliothek Krivoklat (Prüglitz, Böhmen) * Die Lira da braccio wird in Gesellschaft von
Harfe, Drehleier und Psalterium gespielt.
** M. Severinus Boethius: De arithmetica, de musica; fol.47;
Biblioteca nazionale Neapel, mss.V.A.14.; angeblich in Siena
oder Avingon 14.Jh. gemalt * Hier
ist die Lira da braccio deutlich als Zargeninstrument
dargestellt.
** Velislav-Bibel (um 1340); Universitätsbibliothek Prag,
Ms.412, fol.72r *
** Spielmann, Holzschnitzerei, Chorgestühl im Erfurter Dom
(14.Jh.) *
** Manesische Liederhandschrift; Zürich
(Anfang 14.Jh.); Universitätsbibliothek Heidelberg,
Cod.pal.germ.848, fol.312r *
** Urkunde der Stadt Siena von Niccolo di Ser Sozzo Tegliacci;
(1.Hälfte 14.Jh.); Siena, Archivio di Stato Capitoli 2. * Den taillierten Korpus, der dadurch eine
Semmelform annimmt, zieren im oberen Bogen zugewandte C-Löcher
und im unteren zwei Rombenrosetten.
** "Die Heilige Familie"; vom Innenflügel des Klarenaltars des
Kölner Doms (nach 1360/70) *
** Passionale der Äbtissin Kunigunde; Böhmen um 1319-1321;
Universitätsbibliothek Prag *
** Jan van Eyck: Musizierende Engel; Polyptychon Die Anbetung
des Lammes; sog. Genter Altar (1425-1432), Gent, Kirche St.
Bavo *
** Musique et mesure, 15.Jh., Barthelemy de Glanville: Livre
des poprietes des choses; Paris, Biblotheque nationale
Ms.fr.22532, fol.336 *
** Adriaen van Wesel: Drei musizierende Engel mit dem Heiligen
Joseph; (1475-1477 in Utrecht geschnitzt); aus Altar der
Illustre Lieve Vrouwe-Broederschap in der Kirche Saint-Jean, in
's Hertogenbosch; Amsterdam, Rijksmuseum * Eine der wenigen Ausnahmen, die Lira da braccio mit
einem Knickhals anzutreffen.
** Barthelemy de Glanville: Livre des proprietes des choses
(15.Jh.); Paris, Bibliotheque nationale MS.fr.22532 fol.336 *
Oberhalb des Strichansatzes befinden sich zwei zugewandte
C-Löcher.
** Hans Memling: Vier musizierende Engel, (1489);
Reliquienschrein der Heiligen Ursula; Brügge,
Sint-Jans-Hospital *
** Stefan Lochner: Engel und Selige im: Weltgerichtsaltar
(nach 1435); Köln, Wallraf-Richartz-Museum, Inv.66 *
** Apollonio di Giovanni, Panneau de coffre (Italien 15.Jh.);
Chicago, The Art Institute, Inv.No.1933.1006 *
Die Renaissancelaute
Für die Renaissancelaute gibt es speziell ab dem 15.Jhd derart
viel Quellenmaterial, dass hier nur eine kleine Auswahl
Erwähnung finden kann. Auch wird daher wenig auf die
unterschiedlichen Erscheinungsformen der Prototypen, mit und
ohne Bünde, Gestalt der Deckendraufsicht, Besaitung etc.,
eingegangen, da dies recht leicht nachvollziehbar ist.
** Elfenbeinbüchse von Cordoba (Spanien 968) * Trotz der sparsamen Darstellung von Einzelheiten
des Instrumentes ist der bauchige Korpus und der Knickhals
deutlich zu erkennen.
** Wandmalerei der Capella Palatina in Palermo (Sizilien
12.Jh.) * Die 6-saitige kleine Ud
hat auf der Decke sich anschauende Doppel-C-Löcher. Als
Saitenhalter dient ein Querriegel.
** Cantigas de Santa Maria, fol.162, El Escoral j.b.2 (Spanien
um 1270) *
** Cantigas de Santa Maria für König Alfons X. von Kastilien
(Spanien um 1270) * Der lange Hals
dieser Ud-ähnlichen Laute, die einen bauchigen elliptischen
Resonator besitzt, endet in einer geschwungenen Wirbelmechanik.
Diese mündet in einem Tierkopfmotiv.
** Cantigas de Santa Maria für König
Alfons X. von Kastilien (Spanien um 1270) * Es werden in dieser Illustration drei große
(8-,9- und 12-saitige) Ud's dargestellt. Die Decke wird von
kleinen Rosetten und verschiedenen flammenartigen
Schallöffnungen in horizontaler oder vertikaler Lage
geschmückt.
** Ausschnitt aus Libro de los juegos (Spanien 1283) * Zu einer großen Mittelrosette finden
sich flammenförmige Nebenlöcher.
** Privilegienbuch (Libre dels Privilegis) aus Mallorca; 1334
signiert von Romeu des Poal; Mallorca, Landesarchiv fol.1 * Um eine Hauptrosette gruppieren sich
vier Nebenrosetten.
** M. Severinus Boethius: De arithmetica, de musica; fol.47ro;
Biblioteca nazionale Neapel, mss.V.A.14.; angeblich in Siena
oder Avingon 14.Jh. gemalt * Dieser
Prototyp der Renaissancelaute hat nur noch eine Rosette.
** Handschrift 14.Jh.; British Museum London, 17.E.VII
(part1), fol.222r *
** Niederländischer astrologischer Traktat, um oder nach 1300;
British Libary London, Sloane 3983, fol.13 * Auf der eiförmigen Decke hat die einzige Rosette
eine Mittellage.
** Astronomischer Traktat, frühes 14.Jh.; British Museum
London, Sloane 3983, fol.41v - 43v *
** Dreifaltigkeitskirche Lublin 1418 *
** Französische Bibel (1411); British Libary London, Royal
19.D.iii, fol.458 *
** Adriaen van Wesel: Drei musizierende Engel mit dem Heiligen
Joseph; (1475-1477 in Utrecht geschnitzt); aus Altar der
Illustre Lieve Vrouwe-Broederschap in der Kirche Saint-Jean in
's Hertogenbosch; Amsterdam, Rijksmuseum *
** Konstruktionszeichnung einer Renaissancelaute nach Arnold
von Zwolle, fol.132; zwischen 1436-1461 * Bibliotheque Nationale Paris, Ms.lat.7295
** Andrea Mantegua: "Sacra Conversazione" (1456 - 1459);
Florenz Alinari * Dieser 9-saitige
Prototyp wird mit einem Plektrum gespielt.
** Andrea del Verrocchio (1436-1488): Madonna; Leningrad *
** Stefan Lochner: "Madonna im Rosenhag (um 1450); Köln,
Wallraf-Richartz-Museum, Inv.67 *
** Israhel van Meckenem, Luthiste et chanteuse
(Norddeutschland); Washington, The National Gallery of Art,
Inv.No.B19.137 *
** Piero della Francesca: "Geburt Christi" (um 1470); National
Gallery London *
** Bennozzo Gozzoli (1420-1497); Handzeichnung, Uffizien,
Florenz *
** Meister des Bartholomäusaltares: "Taufe Christi"
(1490/1500); Washington, National Gallery of Art, Inv.1630 *
** Hieronymus Bosch (um 1450-1516): Die Hölle; Madrid,
Escorial
** Renaissancelaute von George Klemm dem Unteren; Randeck
(Sachsen) um 1590; Dom St. Marien Freiberg; (Original
überlackiert) *
** Pietro Perugino (1450-1523): Auferstehung Mariä; Florenz *
** Laute von Tiefembrucker in Padua 1582;
Kunsthistorisches Museum Wien Sig.C.36 *
Die Gitarre
** Holzintarsien im Studiolo des Herzogs
Federigo da Montefeltro (1422-1482), Urbino, Herzoglicher
Palast, Studiolo * Deutlich bei dieser
5-saitigen Gitarre ist die durchgängige Zarge. Die zugewandten
C-Löcher klammern den Steg ein. Unklar ist, ob sie ein
besonders gestaltetes Wirbelbrett oder einen nicht eindeutigen
Wirbelzylinder hat.
** Steinfigur, Noya (Spanien) San Martin, Westportal, 15.Jh. *
Die Gitarre mit einem 8-förmigen
Korpus, der ein rosettenartiges Schallöffnungspaar hinter der
Taillie aufweist, besitzt 6 fächerartig angeordnete Saiten, die
in hinterständigen Sagittalwirbeln münden.
** Miniatur von Apollonio di Giovanni; Publins Vergilins Maro,
Äneis; Abschrift Florenz 1450; Biblioteca Riccardiana Florenz,
Ms.492, fol.75 * Eine nur leicht
taillierte Gitarre mit einem Rosettenschmuck und einem
Querriegel hat ein Wirbelbrett in der hammerförmigen Gestalt,
wie sie auch schon bei Tamburen auftrat.
** Figur, Ulm, Münster. inner, Kapitell, 15.Jhd * Der tailliere Korpus hat ein zentrales offenes
Schalloch. Trotz des kleeblattförmigen Wirbelbretts sind die
sechs Wirbel in zwei parallelen Längsreihen aufgestellt.
** Staatliche Museen Berlin/byzantinische Sammlung,
Inv.Nr.7648; Schwaben um 1510 * Ein Engel mit einer 8-förmigen
Gitarre. In jeder Rundung der Acht finden sich halbkreisene
Schallöcher.
** Stich von M. Raimondi um 1515 *
** Jan Massys: Bordellszene, nach 1558; Nationalmuseum
Stockholm, Inv.-Nr.2661 * Eine mit dem
Plektrum gespielte Gitarre erklingt im Duett mit einer
gezupften Renaissancelaute.
** Jakob Jordaens (1593-1678): Allegorie; Brüssel *
Die Viola da gamba / da braccio
Das Quellenverzeichnis der Violen/Violin-Familie verzichtet auf
die begriffliche Einordnung mittels einer Auswahl von
Prototypen und Vertretern mit typischen Eigenschaften des
betreffenden Instrumentes. Es wird vorausgesetzt, dass die
Viola da gamba allgemeine Bekanntheit genießt.
Ebenso soll es für die Viola da braccio vorausgesetzt werden.
Aufgrund dessen scheint es auch nur begrenzt erforderlich das
Quellenmaterial mit den Hinweisen auf Prototypen zu belasten. Lediglich frühe Formen sollen
abgegeben sein.
** Mathis Gothardt-Nithardt genannt Grünewald: Isenheimer
Altar, Kolonar, 2.Schauseite, Museum Unterlimden * Der
Wirbelkasten einer großen, stehenden Viola ist ein stumpf
gewinkelter Knickhals, der Ansätze zur Schneckenbildung zeigt.
Eine klare Form haben bereits die Zargenkanten.
** Hans Süß von Kulmbach: Die Madonna mit den Heiligen
Katharina und Barbara; Gedächtnisbild für Propst Lorenz Tucher,
1513; Nürnberg, St. Sebald * Das Streichinstrument kann noch
nicht als echter Vertreter der Viola da braccio aufgefasst
werden, da die drei Saiten in einem Wirbelbrett, ähnlich bei
der Lira da braccio, arretiert werden. Der Korpus hingegen
entspricht schon hinreichend der Ansprüchen der frühen Violen.
Die Zargenkanten sind deutlich, die Taille bewusst. Die
Schultern sind sowohl oben als auch unten hochgezogen.
** Le roi Rene copiant les praumes, Breviaire de Rene II
d'Anjou (Paris 1442-53); Bibliotheque de l'Arsenal,
Ms.601,fol.2v * Auch bei diesem
Streichinstrument kann noch nicht eindeutig von einer Viola da
braccio gesprochen werden. Undeutlich ist die Qualität der
Taille. Möglicherweise ist die Zarge nicht geteilt. Auch hat
die Decke eine Mittelrosette.
** Gaudenzio Ferrari: "La Madonna degli Arana" 1529; Vercelli,
Altargemälde der Kirche San Cristoforo * Offensichtlich handelt es sich hier nun bereits um
einen Prototyp der Viola da braccio, mit fast beulig
hochgezogenen Schultern, Schneckenkopf, vier Saiten, S-Löchern
etc.
** Viola da braccio Oberitalien um 1530;
aus: Lilly Stunzi *
** "Kammermusik in der Neuen Veste zu München"; (1570);
Bayrische Staatsbibliothek, Sign.Mus.Ms.A.II, fol.187; in: Hans
Mielich, Buchmalerei aus einem Prachtkodex mit Orlando di
Lassos Bußpsalmen * Prototypen der
Viola da gamba
** Tenorgambe und Bassgambe von Antonio Ciciliano, Venedig
1550; Kunsthistorisches Museum Wien, Inv-Nr. C75 & C77 * Neben
den schmalen Schultern, den sechs Saiten, den S-Löchern dieser
typischen Vertreter (da gamba), zeichnet sie auch das
Vorhandensein von Bünden aus.
** Tenorgambe von Francesco Linarol, Venedig 1550;
Kunsthistorisches Museum Wien, Inv-Nr. C71
** Violone von Ventura Linarol, Padua 1585; Wien,
Kunsthistorisches Museum Inv.Nr.C75 * Dieser große Vertreter
hat bereits f-Löcher.
** Michelangelo da Caravaggio (um 1560-1609): Junge Frau mit
Laute und Geige; Ermitage Leningrad * Diese Violine mit
f-Löchern hat nun bereits ihre klassische Form.